Menschen mit psychischen Erkrankungen leiden oft doppelt. Die Betroffenen werden häufig stigmatisiert und ausgegrenzt. Um die soziale Inklusion von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern, fördert die Europäische Union im Rahmen des Förderprogramms „Horizon 2020“ ein internationales Projekt, an dem auch Ulmer Wissenschaftler beteiligt sind. Dabei geht es zum einen darum, den Betroffenen beim Umgang mit der Krankheit zu helfen (lieber offenlegen oder besser geheim halten?). Im Fokus steht aber auch die Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen, um die Integration ins Arbeitsleben zu erleichtern.
Menschen mit psychischen Erkrankungen leiden oft doppelt. Denn mit der Krankheit kommt häufig das Stigma. Ob als Jugendlicher in der Schule oder später am Arbeitsplatz: Die Betroffenen werden nicht selten sogar ausgegrenzt. Psychisch Erkrankte fühlen sich nicht nur isoliert, sie sind es zumeist auch. Die Europäische Union unterstützt im Rahmen des Förderprogramms „Horizon 2020“ nun für vier Jahre (2016 - 2020) ein internationales Projekt zur sozialen Inklusion von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
„Wir wollen mit dem Projekt den Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft auf diesem sensiblen Gebiet verbessern“, sagt Professor Nicolas Rüsch, Leiter der Sektion Public Mental Health der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II, Universität Ulm und Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg. Ganz konkret geht es dabei um die Entwicklung von Entscheidungshilfen und Interventionsmöglichkeiten, die dabei helfen sollen, die soziale Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern. Entscheidend dabei: der Stigmatisierung von Betroffenen entgegentreten.
Entscheidungshilfen zur Offenlegung oder Geheimhaltung von psychischer Erkrankung
Die Ulmer Forscher arbeiten zudem an der Weiterentwicklung spezieller Gruppenprogramme zum selbstbewussten Umgang mit der eigenen psychischen Erkrankung. „Die Betroffenen sollen dabei selbst entscheiden, ob sie ihre Erkrankung offenlegen oder lieber geheim halten wollen“, erklärt Rüsch. Das sogenannte „In Würde zu sich stehen“-Programm (IWzss) wird von Psychiatrie-Erfahrenen geleitet und unterstützt Menschen mit psychischen Erkrankungen bei dieser Entscheidung. Ob am Arbeitsplatz oder der Ausbildungsstelle, in der Schule oder im privaten Umfeld, für die unterschiedlichen Lebensbereiche muss jeweils entschieden werden, ob Offenlegung oder Geheimhaltung der bessere Weg ist. Die Forscher der Uni Ulm kooperieren dafür eng mit Wissenschaftlern des IIT Chicago, die die Grundlagen dieses Programms entwickelt haben (Professor Patrick Corrigan). „Gesellschaftliche Teilhabe ist ein Menschenrecht. Und wir wollen den Betroffenen dabei helfen, diesem Recht in der Alltagspraxis Geltung zu verschaffen – sei es in der Schule oder am Arbeitsplatz“, so der Ulmer Forscher.
Stigmatisierung im schulischen und beruflichen Umfeld weiter entgegenwirken
Der Fokus der Ulmer Arbeitsgruppe liegt auf der Entwicklung von Antistigma-Interventionen in der Arbeit mit psychisch erkrankten Jugendlichen in Kooperation mit den Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Augsburg, Ravensburg-Weissenau und Ulm. Eine intensive Zusammenarbeit gibt es zudem mit dem Psychotraumazentrum am Berliner Bundeswehrkrankenhaus. Hierbei geht es darum, das IWzss-Programm für Soldaten mit psychischen Erkrankungen zu adaptieren.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ulmer Forschung ist die Verbesserung der Situation für psychisch belastete oder erkrankte Personen am Arbeitsplatz. Das Ziel: eine stärkere Beteiligung von Psychiatrie-Erfahrenen an der Arbeitsmarktpolitik, um die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Integration ins Arbeitsleben zu verbessern. Und auch bereits bestehende Programme aus den Projektländern sollen im Rahmen des internationalen Projektes evaluiert werden. Dazu gehört beispielsweise ein kanadisches Programm, das den Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitern und Kollegen im Arbeitsumfeld verbessern soll. Angriffspunkte sind dabei zum einen die Vermittlung von Wissen zu diesem Thema aber auch die Bereitschaft, Hilfe für psychische Krisen zu leisten und gegebenenfalls selbst in Anspruch zu nehmen. „Nicht nur für die Betroffenen ist die dauerhafte Ausgrenzung eine Belastung. Auch die Gesellschaft verliert damit ein großes Potential“, sagt Rüsch.
Quelle: Universität Ulm