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Zwangsstörungen: neue Leitlinie eröffnet Chancen in der Behandlung

In Deutschland leiden jedes Jahr etwa 2,3 Millionen Menschen unter den Symptomen einer Zwangsstörung. Die Krankheit beeinträchtigt nicht nur stark das eigene Leben, sondern auch das der Angehörigen. Trotzdem finden Zwangsstörungen im Versorgungssystem heute nur wenig Beachtung. Häufig werden sie falsch, spät oder gar nicht diagnostiziert. Nun bietet eine unter der Schirmherrschaft der DGPPN neu entwickelte Leitlinie eine klare und verständliche Orientierung für die Behandlung von Zwangsstörungen.

Zwangsstörungen sind mit großem Leidensdruck verbunden: Die Betroffenen wenden oftmals mehrere Stunden am Tag dafür auf, ihren Zwängen nachzukommen. Dadurch können sie einen normalen Tagesablauf nicht mehr bewältigen und werden handlungsunfähig. Aus Scham verheimlichen Betroffene jedoch ihre Erkrankung. Durchschnittlich dauert es zehn bis fünfzehn Jahre, bis Patienten mit einer Zwangsstörung professionelle Hilfe aufsuchen.

Zwangsstörungen wirken sich nicht nur schwerwiegend auf das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen aus, sie haben auch eine immense gesundheitsökonomische und versorgungspolitische Bedeutung. Zwischen 1 bis 3 Prozent der Bevölkerung sind im Laufe ihres Lebens betroffen. Damit ist die Zwangsstörung die vierthäufigste psychische Erkrankung in Deutschland. Trotzdem findet sie im Versorgungssystem noch zu wenig Beachtung. „Zwangsstörungen werden auch heute noch häufig falsch, spät oder gar nicht diagnostiziert. Dabei wissen wir, dass den betroffenen Patienten die richtige Therapie nachhaltig hilft. Medikamente spielen dabei eine untergeordnete Rolle, im Vordergrund stehen psychotherapeutische Interventionen“, stellt DGPPN-Vorstandsmitglied Professor Fritz Hohagen aus Lübeck fest.

Mit dem Ziel, die Versorgungssituation rasch zu verbessern, hat die DGPPN deshalb die Entwicklung der S3-Behandlungsleitlinie „Zwangsstörungen“ initiiert. Diese liegt nun erstmals in gedruckter Form vor und soll die an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich erreichen. „Die Leitlinie bündelt das aktuell vorhandene Forschungswissen und stellt eine klare, verständliche Entscheidungsgrundlage zur Behandlung und Betreuung von Personen mit Zwangsstörungen dar. Sie enthält insgesamt 71 Empfehlungen und Statements, die auch den betroffenen Patienten und ihre Angehörigen transparent gemacht werden, um ihnen eine weitgehend selbstbestimmte Beteiligung am Behandlungsprozess zu ermöglichen“, so Professor Hohagen, einer der vier wissenschaftlichen Koordinatoren der Leitlinie.

Hintergrund
Die Entwicklung der Leitlinie entspricht den Vorgaben und methodischen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Die Federführung lag bei der DGPPN. Zahlreiche klinische und wissenschaftliche Experten waren in das Großprojekt involviert. Insgesamt waren 27 Fachgesellschaften und -organisationen sowie Verbände der Betroffenen und Angehörigen beteiligt. Neben einer ausführlichen Langversion mit der Beschreibung der Evidenzgrundlage und deren Einordnung in die klinische Praxis wurden ein Leitlinienreport und eine Kurzversion veröffentlicht, um eine schnelle Beantwortung klinischer Fragestellungen zu ermöglichen. Darüber hinaus ist derzeit eine „Kitteltaschenversion“ der wichtigsten Leitlinienempfehlungen in Vorbereitung.

F. Hohagen, A. Wahl-Kordon, W. Lotz-Rambaldi, C. Muche-Borowski (Hrsg.): S3-Leitlinie Zwangsstörungen. DGPPN, Springer-Verlag, Berlin, 2015.

Die vollständigen Leitlinien finden Sie auf www.dgppn.de unter Publikationen > Leitlinien > F4 Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen