„Das Wechselspiel zwischen Psyche und Körper ist sehr komplex und sollte bei medizinischen Beschwerden immer Berücksichtigung finden. Wenn Menschen dauerhaft Stressfaktoren und psychischen Belastungen ausgesetzt sind, ohne diese bewusst wahrzunehmen oder ohne adäquat darauf zu reagieren, kann sich dies in körperlichen Symptomen äußern. So bedingen sich beispielweise Depressionen und Rückenleiden oft gegenseitig, denn Menschen, die depressive Symptome haben, sind meist empfänglicher für Schmerzen. Gleichzeitig leidet ein Großteil der chronischen Rückenschmerzenpatienten zusätzlich an depressiven Symptomen“, berichtet Professor Dr. Arno Deister von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, die ihren Sitz in Berlin hat. „Auch Angsterkrankungen gehen häufig mit Verspannungen und Verkrampfungen in der Nacken-, Schulter- und Rückenregion einher, da sie unter anderem eine erhöhte muskuläre Anspannung bei Betroffenen verursachen können. Neben dem Ausschluss einer organischen Ursache ist es deshalb wichtig, psychische Einflüsse auf ein bestimmtes Krankheitsbild zu berücksichtigen, um es behandeln zu können.“ Psychosomatische Erkrankungen können erfolgreich behandelt werden, wobei eine möglichst frühe Therapie Leiden und einen langfristigen Verlauf verhindern kann.
Wechselspiel von Schmerz und Psyche verstärkt Beschwerden gegenseitig
Nicht selten wird als Reaktion auf Rückenleiden aus Angst vor den Schmerzen Bewegung vermieden. Viele Betroffene neigen dazu, aktive Bewegung einzustellen und sich zu schonen, worin meist die falsche Reaktion besteht. „Bewegungsmangel und eine unnatürliche Schonhaltung führen zu neuen Verspannungen und somit zu neuen Schmerzen. Durch dieses Angst-Vermeidungsverhalten kann ein Teufelskreis entstehen und dazu führen, dass akute Schmerzen chronisch verlaufen“, erklärt Prof. Deister. „Ähnlich verhält es sich bei Depressionen, denn wer Gefühle von Niedergeschlagenheit und Traurigkeit verspürt, ist empfänglicher für Schmerzen. Diese verstärken die Depression und damit auch deren typische Symptome, wie Antriebslosigkeit, Pessimismus und das Gefühl ungenügender Selbstwirksamkeit, die ihrerseits wiederum Bewegungsmangel und Anspannung zur Folge haben können.“ Wenn Patienten über lange Zeit an Schmerzen leiden und nicht zufriedenstellende Behandlungserfolge haben oder ungünstige Therapieerfahrungen machen, ist das Risiko einen chronischen Schmerz zu entwickeln besonders hoch.
Psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfe wahrnehmen, wenn herkömmliche Maßnahmen scheitern
Um psychosomatisch bedingte Rückenschmerzen zu verhindern oder zu beheben, sind Bewegung und Entspannung hilfreich. Mehr körperliche Aktivität im Alltag - idealerweise in der Natur - und Strategien zur Stressbewältigung wie progressive Muskelentspannung können dazu beitragen, Ängste- und Anspannungen abzubauen, eine Kräftigung der Muskulatur zu bewirken und die Stimmung aufzuhellen. Führen entsprechende Umgestaltungen der Lebensgewohnheiten jedoch nicht zum Erfolg, sollte professionelle Hilfe durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Psychosomatik möglichst bald in Anspruch genommen werden. „Psychosomatische Störungen und Erkrankungen sind gut behandelbar. Im Zentrum stehen dabei psychotherapeutische Maßnahmen, die durch Körper-, Bewegungs-, Kunst- sowie durch Sozialtherapie ergänzt werden. Wichtig ist, gemeinsam mit dem Patienten zu erarbeiten, wie die Zusammenhänge zwischen psychischem und körperlichem Erleben sind und wie man diese verändern kann“, schildert der Experte. Die Behandlung erfolgt meistens ambulant, kann in schweren Fällen aber auch tagesklinisch oder stationär erfolgen. In manchen Fällen können vorübergehend auch Medikamente notwendig sein, um die Behandlung von Ängsten, Schmerzsyndromen oder Depressionen zu unterstützen.
Psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinn gibt es bei sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung. Schmerzen, Kreislauf- oder Atmungsprobleme, Allergien, Probleme im Rücken oder anderen Körperteilen können bei somatoformen Störungen symptomatisch sein. Man schätzt, dass bis zu einem Drittel der Patienten, die aufgrund diffuser Beschwerden oder Schmerzen einen Hausarzt aufsuchen, unter einer somatoformen Störung leiden.
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