Im höheren Lebensalter sind Depressionen die häufigste psychische Störung. Oft bestehen gleichzeitig körperliche Erkrankungen und Funktionseinschränkungen. Die mit einer Depression typischerweise einhergehende Appetitlosigkeit ist eine der häufigsten Ursachen für Mangelernährung im Alter. Sie kann einen lebensbedrohlichen Teufelskreis gesundheitlicher Beschwerden wie Schwäche, Infektanfälligkeit und Stürze in Gang setzen. Untersuchungen haben gezeigt, dass bis zu 37 Prozent der älteren Menschen, die einen Hausarzt aufsuchen, unter depressiven Störungen leiden. Unter den Bewohnern von Pflegeheimen sind bis zu 50 Prozent von einer depressiven Symptomatik betroffen. Depressive Störungen stellen darüber hinaus die häufigste psychische Ursache für Suizide dar. Das höchste Suizidrisiko überhaupt haben ältere Männer, wobei die Suizidrate bei Männern über ca. 70 Jahren exponentiell ansteigt. „Auch im höheren Lebensalter gehen Depressionen mit den typischen Symptomen von deutlich gedrückter Stimmung, Interessenlosigkeit und Antriebsminderung sowie verschiedenen körperlichen Beschwerden einher. Betroffene leiden unter starken Selbstzweifeln, Konzentrationsstörungen und Grübelneigung, sie haben große Schwierigkeiten ihren Alltag zu bewältigen und sind in ihrer Lebensführung massiv beeinträchtigt. Eine Depression ist, wir kaum eine andere Erkrankung, mit einem hohen Leidensdruck verbunden, da sie maßgebend das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl der Betroffenen beeinträchtigt. Fatalerweise halten Angehörige und das gesellschaftliche Umfeld es oft für normal, dass ältere Menschen eine depressive Grundhaltung haben, über den Tod nachdenken und sich sozial zurückziehen. Auch Betroffenen ist meist nicht bewusst, dass sie an einer Depression erkrankt sind“, erklärt Dr. med. Iris Hauth von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Depressionen können auch im höheren Lebensalter medikamentös und psychotherapeutisch behandelt und überwunden oder deutlich gebessert werden. Betroffenen Senioren kann geholfen werden, ihr Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten wieder positiv zu gestalten und auch, dass sie versöhnt auf ihr Leben zurückblicken und es so annehmen können.“ Wichtig hierfür ist, eine korrekte Diagnosestellung und anschließend eine zielführende Behandlung.
Wirksamkeit von Antidepressiva und Psychotherapie ist auch für ältere Patienten belegt
Ältere Menschen können in gleicher Weise behandelt werden wie Jüngere, wobei heutzutage auf altersspezifische Besonderheiten stärker eingegangen wird. „Für Senioren wurden für die Psychotherapie spezielle Therapiemanuale entwickelt, welche die psychischen Befindlichkeiten älterer Menschen sowie die altersspezifische Lebenssituation gezielter berücksichtigen. Es hat sich gezeigt, dass ältere Menschen psychotherapeutische Maßnahmen gut annehmen und schätzen können“, betont Dr. Hauth. Eine zusätzliche medikamentöse Behandlung schwererer Depressionen ist bei älteren Menschen ähnlich wirksam, wie bei Jüngeren. Da im höheren Lebensalter oft bereits andere Erkrankungen bestehen und Arzneimittel eingenommen werden, orientiert sich die Auswahl der Medikamente dabei in erster Linie am Nebenwirkungs- und Wechselwirkungspotential. „Die häufige Multimedikation erfordert bei älteren Menschen eine besondere Aufmerksamkeit, weswegen das Nebenwirkungsprofil und die Verträglichkeit noch stärker beachtet werden müssen. Auch verläuft die Verarbeitung der Wirkstoffe im Körper und die anschließende Ausscheidung bei Senioren anders. Daher ist oft eine geringe Anfangsdosierung mit langsamer Steigerung sinnvoll, ebenso wie eine leichte Handhabung bei der Einnahme der Medikamente“, rät die Präsidentin der DGPPN. Insgesamt beruht die Behandlung von Depressionen im Alter auf verschiedenen Ansätzen und beinhaltet auch soziotherapeutische Maßnahmen. In den meisten Fällen verspricht eine Kombination mehrerer Behandlungsmaßnahmen den größten Erfolg.
Alterungsprozesse und die Biografien von Menschen verlaufen individuell sehr verschieden. Eine Altersdepression kann durch viele Faktoren ausgelöst werden. Neben einer genetischen Veranlagung fördern vermutlich bestimmte Persönlichkeitsfaktoren und Lebensumstände die Entwicklung einer Depression. Doch auch organische und insbesondere hirnorganische Erkrankungen gehen mit depressiven Symptomen einher. Daneben können verschiedene Medikamente depressive Störungen hervorrufen. Psychische Erkrankungen im Alter bedürfen einer umfassenden Diagnostik, die gleichzeitig körperliche, seelische und soziale Faktoren einschließt.
Quelle:
S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN); Bundesärztekammer (BÄK); Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV); Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) (Hrsg.), 2. Auflage, Version 1, November 2015
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