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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Arbeit nach psychischer Erkrankung: Schrittweiser Wiedereinstieg vorteilhaft

Für Menschen, die psychisch erkrankt sind, ist nach erfolgreicher Therapie die baldige Rückkehr an den alten Arbeitsplatz oft sehr vorteilhaft. Umgekehrt ist es in vielen Fällen so, dass je länger die Arbeitsunfähigkeitszeit ist, desto schwieriger die Rückkehr wird.

„Arbeit bedeutet für Menschen mit einer psychischen Erkrankung, dass der Alltag einen stabilen Rhythmus und Struktur bekommt. Auch kann sie zur psychosozialen Stabilisierung beitragen, weil sie das Selbstwertgefühl stärkt, regelmäßige soziale Kontakte ermöglicht und zur gesellschaftlichen Integration beiträgt“, berichtet Prof. Dr. med. Steffi Riedel-Heller von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). „Um den mitunter sensiblen Prozess des Wiedereinstiegs für Betroffene erfolgreich zu gestalten, empfiehlt sich häufig eine schrittweise, systematische Vorgehensweise unter professioneller Begleitung. Die stufenweise Wiedereingliederung ist jedoch eine freiwillige Maßnahme und setzt auch die Bereitschaft des Arbeitgebers dazu voraus. Zudem muss der Arbeitsplatz erhalten geblieben sein.“ Die stufenweise Wiedereingliederung - auch «Hamburger Modell» genannt - kann im Anschluss an eine Rehabilitations- oder Klinikbehandlung wahrgenommen werden. Die Wiederaufnahme der Arbeit kann dann in Absprache mit dem behandelnden Arzt mit wenigen Stunden täglich beginnen und stufenweise bis zur vollen Arbeitszeit gesteigert werden. Die Dauer der Maßnahme liegt zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten.

Veränderungsbereitschaft auf beiden Seiten wichtig

Damit die Rückkehr an den Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer und den Betrieb vorteilhaft verläuft, ist eine Anpassungsbereitschaft auf beiden Seiten notwendig. Oftmals sind Veränderungen im Arbeitsablauf und der Arbeitsorganisation von Nöten, die der Betroffene durch aktives Zutun vornehmen muss. Der Arbeitgeber muss grundsätzlich dazu bereit sein, entsprechende Umstellung zu akzeptieren. „Im Rahmen der Therapie konnten möglicherweise arbeitsbedingte Faktoren identifiziert werden, sie sich ungünstig auf die psychische Verfassung des Betroffenen auswirken. Dann ist es vorteilhaft, gemeinsam mit dem Vorgesetzten vor der Rückkehr zu überlegen, wie sich diese Faktoren verändern lassen. Das kann beispielsweise die vorübergehende Herausnahme aus dem Schichtdienst oder dem Publikumsverkehr sein oder auch die Umsetzung innerhalb eines Betriebes an einen anderen Arbeitsplatz“, schildert Prof. Riedel-Heller, Direktorin des Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) am Universitätsklinikum Leipzig. Ebenso kann gemeinsam vorab besprochen werden, inwieweit die Kollegen informiert werden sollten. Grundsätzlich ist es dem Betriebsklima und der Atmosphäre zuträglich, wenn das kollegiale Umfeld in die Rückkehrvorbereitungen mit einbezogen wird. „Auch hat es sich als günstig erwiesen, wenn Betroffene dazu bereit sind, konkrete Verhaltensregeln mit Kollegen und dem Vorgesetzten zu vereinbaren, auf die im Fall von Anzeichen eines Rückfalls zurückgegriffen werden kann“, ergänzt Prof. Riedel-Heller. Betriebskrankenkassen bieten Schulungsangebote für Unternehmen, die ihre präventiven und gesundheitsfördernden Kompetenzen im Hinblick auf psychische Erkrankungen auf- und ausbauen wollen.

In manchen Fällen ist es wichtig, dass der Wiedereingliederungsprozess von dem behandelnden Psychiater begleitet wird, um das Selbstmanagement des Betroffenen zu unterstützen. „Die Patienten müssen ihre Ressourcen erkennen, um angemessen damit «haushalten» zu können. Selbst bei erfolgreicher Therapie ist manchmal mit Einschränkungen in bestimmten Bereichen der Arbeitsfähigkeit zu rechnen, die beispielsweise die kognitiven Fähigkeiten und das Zeitmanagement betreffen. Eine psychiatrische Begleitung kann es den Betroffenen erleichtern, sich einen selbstbestimmten Umgang mit der Erkrankung bei der Arbeit anzueignen und neue Bewältigungsmechanismen zu entwickeln. Auch müssen Betroffene dazu in der Lage sein, belastende Konstellationen und Vorboten eines Rückfalls zu erkennen“, betont die Professorin. „Positive Rückmeldungen der Kollegen und ein offener, unterstützender Umgang der Vorgesetzten mit dem Mitarbeiter sind gute Voraussetzungen für eine gelingende Rückkehr in den Beruf.

Ist der ursprüngliche Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden oder es steht eine berufliche Neuorientierung an, stehen zur Wiedereingliederung auch Maßnahmen der Integrationsfachdienste oder der 28 bundesweiten Berufsförderungswerke zur Verfügung.

Links:

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell): http://www.einfach-teilhaben.de/DE/StdS/Ausb_Arbeit/ArbPl_sichern/Wiedereingliedern/wiedereingliedern_node.html

Integrationsfachdienste: www.ifd-bw.de

Berufsförderungswerke: www.bv-bfw.de

Betriebliche Gesundheitsförderung (BKK): http://www.bkk.de/arbeitgeber/betriebliche-gesundheitsfoerderung/

(ain-red) Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.psychiater-im-netz.org. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des Patientenportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.