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Corona-Krise: Depressive Erkrankungen können verzögert auftreten – dunkler Jahreszeit aktiv begegnen

Erste Studien in Corona-Zeiten deuten auf eine Zunahme an depressiven Symptomen hin und große Krankenkassen verzeichnen einen Höchststand an Krankschreibungen aufgrund depressiver Erkrankungen. Eine Depression entsteht in der Regel aber aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren und ist viel weniger allein die Folge schwieriger Lebensumstände. Die fachärztliche Abklärung und Versorgung bei Depression ist für den weiteren Erkrankungsverlauf maßgebend. Eine unbehandelte Depression bessert sich in der Regel nicht von selbst.

Aufgrund der Corona-Pandemie leben die Menschen seit Monaten unter mehr oder weniger starken Einschränkungen sowie psychosozialen und wirtschaftlichen Belastungen. Erst nach und nach werden die Auswirkungen der Krise auf das gesellschaftliche Miteinander, die wirtschaftliche Situation und das psychische Befinden der Menschen sichtbarer. Erste Studien deuten auf eine Zunahme an depressiven Symptomen hin und große Krankenkassen verzeichnen einen Höchststand an Krankschreibungen aufgrund depressiver Erkrankungen. „Eine Depression entsteht in der Regel aber aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren und ist viel weniger allein die Folge schwieriger Lebensumstände, als gemeinhin angenommen wird“, erklärt Dr. Sabine Köhler von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz der Gesellschaft in Berlin. „Eine genetische Veranlagung, neurobiologische Prozesse sowie bestimmte Entwicklungs- und Persönlichkeitsfaktoren bilden die Basis für die Entwicklung von depressiven Erkrankungen. Die Pandemie-Situation bringt jedoch verschiedene Aspekte mit sich, die als Risikofaktoren für Depressionen gelten, wie soziale Isolation, Einsamkeit, Sorgen und damit verbundenes Stresserleben. Auch Gefühle von Ausweglosigkeit und Frustration können sich einstellen, weil wir noch nicht darauf vertrauen können, dass bald alles vorbei ist.“ Bestimmte Bevölkerungsgruppen, darunter ältere Menschen, Frauen, Kinder und Menschen mit psychischen Erkrankungen, sind aufgrund der Corona-Krise mittel- und langfristig einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Doch auch psychisch gesunde Menschen sollten die Belastungen nicht unterschätzen, auf welche sie möglicherweise erst mit Verzögerung reagieren.

Dunkle Jahreszeit begünstigt depressive Beschwerden – ausreichend Tageslicht wichtig

Auch der Beginn des Herbstes mit einer Verkürzung und Verdunkelung der Tage kann das Wohlbefinden mancher Menschen ungünstig beeinflussen. Viele erleben gerade zu dieser Jahreszeit verstärkt Müdigkeit und Energielosigkeit, eine schlechtere Stimmungslage sowie vermehrtem Appetit auf Kohlenhydrate. Überwiegend handelt es sich dabei um den so genannten Winter-Blues, bei dem Betroffene aber nicht depressiv sind. Bei etwa fünf Prozent der Bevölkerung erreichen die Beschwerden jedoch ein Ausmaß von Krankheitswert, mit einer deutlichen Einschränkung der emotionalen Befindlichkeit, der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Grund dafür kann eine sogenannte Herbst- bzw. Winterdepression sein, die durch eine gezielte Lichttherapie gut behandelbar ist.

Fachärztliche Abklärung bei Depressivität nicht herauszögern

„Weil es sich in den Wintermonaten in der Mehrzahl der depressiven Erkrankungen allerdings nicht «bloß» um eine Saisonale Depression handelt, ist auch in diesem Zeitraum immer eine fachärztliche Abklärung wichtig“, betont die Fachärztin. Erleben Betroffene wiederholt Saisonale Depressionen in der Herbst- und Winterzeit, können therapeutische Lichtbäder zur Behandlung sowie auch zur Prävention durchgeführt werden. Auch eine Behandlung mit Antidepressiva ist eine Therapieoption. Depressive Erkrankungen, die nicht saisonal bedingt sind, können psychotherapeutisch und/oder medikamentös behandelt werden.

Unbehandelt vergehen Depressionen nicht von alleine

Viele von Depression betroffene Menschen suchen über lange Zeit keinen Arzt auf, sei es aus Unwissenheit, Verdrängung oder aus Schamgefühl. „Die Depression ist aber eine sehr ernste psychische Erkrankung, bei der eine frühe Diagnose und Therapie sehr wichtig sind – ebenso wie Informationen über die Risikofaktoren, Ursachen und Symptome“, betont Dr. Sabine Köhler. „Eine unbehandelte Depression bessert sich in der Regel nicht von selbst und kann unabhängig von den äußeren Umständen unterschiedliche Ursachen haben.“ Halten depressive Symptome länger als 2 Wochen an, kann der Hausarzt erster Ansprechpartner sein. Auch eine Terminvereinbarung beim Facharzt – einem Psychiater, Nervenarzt oder Facharzt für psychosomatische Medizin – ist wichtig, um eine genaue Diagnostik und eine fachärztlich begleitete Therapie einzuleiten. Bei zeitnah erforderlichen Terminen können die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zur Vermittlung von Fachärzten genutzt werden. Für Menschen, die schon einmal aufgrund psychischer Beschwerden in Behandlung waren, empfiehlt es sich, Ärzte aufzusuchen, zu denen früher schon Kontakt bestand, weil so auf vorliegende Informationen und Erfahrungen zurückgegriffen werden kann und oft auch schneller ein Termin möglich ist.

Menschen sollten die Möglichkeiten, in den kommenden Monaten positiv auf die eigene psychische Gesundheit einzuwirken, für sich prüfen und möglichst ausschöpfen, denn die Auswirkungen der Pandemie dürften kaum jemanden unberührt lassen.

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