Im Alltag ist es jedoch häufig schwierig, die Aufmerksamkeit bewusst auf Dinge zu lenken, die gerade passieren und sich mit ihnen achtsam auseinanderzusetzen. „Menschen befinden sich gedanklich oft im Gestern oder im Morgen, sind durch Erinnerungen oder Nachdenken über die Zukunft abgelenkt und können den Augenblick gar nicht mehr isoliert davon wahrnehmen. Oft bewerten sie ständig sich selbst und ihr Umfeld und es kann sich ein permanentes Gedankenkreisen einstellen. Manche leiden darunter, dass in ihrem Kopf ständig Gedanken umhergehen und der Geist keine Ruhe findet. Dies kann zu einer permanenten Anspannung führen, zu einer Grund-Unzufriedenheit aber auch zum Nichtbeachten der eigenen Bedürfnisse“, berichtet Dr. Christa Roth-Sackenheim vom Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) in Krefeld. „Bei Menschen mit psychischen Problemen geht diese Problematik weiter. Sämtliche Gedanken können durch die aktuelle Stimmungslage beeinflusst werden und Dinge nicht mehr so gesehen werden, wie sie sind. Dadurch kann die Erfahrung eines an sich positiven Momentes durch Grübelgedanken, Traurigkeit, Sorgen oder durch eine schlechte Gefühlslage völlig überlagert werden. Bei ständigem Gedankenkreisen können die Gedanken oft nicht mehr geordnet und nicht zu Ende gedacht werden – sie führen zu keinem Ziel.“ Ungenügende Achtsamkeit kann Leiden verursachen und psychische Erkrankungen fördern oder aufrechterhalten.
Achtsamkeitstraining kann Genussfähigkeit und Stimmung günstig beeinflussen
Übungen zur Achtsamkeit sind ein wichtiges Mittel, um die Fähigkeit der Achtsamkeit zu verbessern oder auch wieder zurück zu gewinnen. Es gibt eine Vielzahl von Übungen, die in den Alltag eingebaut werden können, um seine Achtsamkeit zu schulen. „So kann man beispielsweise Morgens die ersten Minuten nach dem Aufwachen noch einige Minuten mit offenen Augen liegenbleiben, sich des Wachseins bewusst werden und in die Atmung und in den Körper hineinspüren“, erklärt die niedergelassene Psychiaterin und Psychotherapeutin. „Da das Atmen ein ständiger Begleiter ist, eignet es sich gut, die Achtsamkeit daran zu trainieren. So kann man immer wieder am Tag die Aufmerksamkeit auf die Atmung lenken, versuchen, sich mit dem Atmen zu verbinden und die Qualität des Atmens zu erspüren.“ Es gibt jedoch eine Vielzahl von Übungen, um seine Achtsamkeit zu verbessern und sich dem bewusst zuzuwenden, was im Hier-und-Jetzt gegeben ist. Auch augenscheinlich sinnlose Konzentrationsübungen können sich zum Üben von Achtsamkeit eignen. „Ziel des Trainings ist es, die Wahrnehmung des aktuellen Augenblicks zu verbessern und dadurch Körper und Geist in Übereinstimmung zu bringen. Dadurch können die Konzentrationsfähigkeit, die Genussfähigkeit und auch die Stimmung günstig beeinflusst werden. Bemerkt man ein Abschweifen kann man sich gezielt immer wieder in die Gegenwart zurückzuholen, wenn man dies trainiert. Der Prozess der Aufmerksamkeitslenkung kann dann absichtsvoll erfolgen, im Sinne einer bewussten Entscheidung“, meint Dr. Roth-Sackenheim. Wer mit Achtsamkeitsübungen beginnt, sollte dafür täglich einige Minuten fest einplanen.
Achtsamkeit kann vor schädlichem Verhalten schützen
Achtsamkeitsbasierte Ansätze sind inzwischen bei der Behandlung von psychischen Problemen und Erkrankungen sehr verbreitet. Denn Achtsamkeit kann ein besseres Verständnis im Umgang mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und sich selbst vermitteln. „Sie ist wichtig, um wahrzunehmen, was man leisten kann, wo die persönlichen Grenzen liegen, was einem gut tut, hemmt oder auch Lebensfreude und Energie gibt. Gleichzeitig fördert Achtsamkeit eine größere innere Flexibilität und ermöglicht eine Distanzierung von inneren Verstrickungen mit gedanklichen und emotionalen Mustern. Für einige psychische Erkrankungen wurden bereits spezielle achtsamkeitsbasierte Therapieansätze entwickelt“, ergänzt Dr. Roth-Sackenheim. „So fördert die achtsamkeitsfokussierte Psychotherapie eine bessere Wahrnehmung von Auslösern, Gedankenspiralen oder automatischen Reaktionen, die für eine Krankheitsentwicklung oder den Rückfall in alte Krankheitsmuster wie beispielsweise bei Depressionen oder Suchterkrankungen von zentraler Bedeutung sein können.“
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