Extremsituationen, Katastrophen und Gewalt machen vor der Arbeitswelt nicht halt. Das Spektrum potentiell traumatisierender Ereignisse reicht von der Bedrohung durch frustrierte Menschen in Kaufhäusern, öffentlichen Verkehrsmitteln, Jobcentern oder Behörden über den tätlichen Angriff durch Patienten in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Arztpraxen. Verschiedene Berufsgruppen tragen tätigkeitsbedingt ein höheres Risiko für Traumatisierung, dazu zählen beispielsweise Soldaten, Feuerwehrmänner, Polizisten aber auch Journalisten, Ersthelfer, medizinisches Personal und Ärzte.
Menschen reagieren auf schwerwiegende Ereignisse und extreme Belastungssituationen unterschiedlich: manche entwickeln Folgestörungen während andere eine ausgeprägte psychische Widerstandskraft besitzen und über das Erlebte hinwegkommen. Auch wenn bestimmte Berufsgruppen aktiv auf die Konfrontation und den Umgang mit traumatischen Ereignissen vorbereitet sind, schützt das nicht zwangsläufig vor Traumatisierung. Vielfache oder langanhaltende traumatische Erfahrungen sind mit einem besonders hohen Risiko verbunden, eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu entwickeln. „Ein wesentlicher Schutzfaktor gegen die Ausbildung von psychischen Störungen nach Belastungssituationen ist eine zeitnahe möglichst professionelle Unterstützung und Rückhalt durch das berufliche und familiäre Umfeld. Denn das Gefühl, keine Unterstützung zu erhalten, ist ein zentraler Risikofaktor für die Entwicklung einer PTBS“, berichtet Dr. Christa Roth-Sackenheim vom Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) mit Sitz in Krefeld. Das gilt sowohl für den privaten Bereich als auch am Arbeitsplatz. Nach immensen beruflichen Belastungssituationen ist es für diese Personen ganz wichtig, dass sie die notwendige Unterstützung durch ihre Kollegen und durch den Arbeitgeber erfahren und eine Kultur der Unterstützung am Arbeitsplatz erlebt wird.
Gewalt am Arbeitsplatz – Ein wachsendes Problem
In den vergangenen Jahren hat die Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine Zunahme von Gewalt am Arbeitsplatz registriert, wobei es unklar ist, ob dies auf eine entsprechende Zunahme des Risikos von Gewalt zurückgeht oder eine erhöhte Beschäftigungsquote – gerade in relevanten Bereichen wie der Pflege – ursächlich ist. Gleichzeitig hat sich erfreulicherweise in den letzten Jahren beim Umgang mit traumatischen Erlebnissen am Arbeitsplatz vieles verbessert – insbesondere in Bereichen, die häufig mit belastenden Situationen einhergehen. Dort aber, wo noch keine entsprechenden Strukturen vorhanden sind, ist die Unterstützung durch das Team von großer Bedeutung. Unternehmen sollten jeden einzelnen Vorfall ernst nehmen und den Betroffenen Unterstützung anbieten“, rät Dr. Roth-Sackenheim. „Die Betroffenen selbst sollten Hilfestellungen annehmen und mögliche Folgen der Traumatisierung nicht verleugnen oder verdrängen.“ Stellen sich Symptome über einen längerfristigen Zeitraum ein, sind Traumambulanzen oder Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie Anlaufstellen. Als Therapiemaßnahmen stehen wirkungsvolle traumafokussierte psychotherapeutische Verfahren sowie auch Medikamente zur Verfügung.
Selbstabwertung mit Gefühlen von Scham oder Schuld
Als Symptom einer Posttraumatischen Belastungsstörung kann sich ein Stück weit der persönliche Blick auf die Welt verändern und es stellen sich Gefühle von Ärger, Schuld und Scham ein. „Patienten haben dann oft übersteigerte negative Erwartungen bezogen auf ihre eigene Person oder auf andere Menschen. Es kommt zu einer Selbstabwertung, Gefühlen von Hilflosigkeit in vielen Lebensbereichen sowie großen Schwierigkeiten, bei der Aufrechterhaltung von Beziehungen“, erklärt die Psychiaterin und Psychotherapeutin. „Ein Trauma kann ein zuvor wie selbstversständlich vorhandenes Gefühl von grundlegender Sicherheit und Geborgenheit nachhaltig beschädigen und stellt gelegentlich sogar die Sinnhaftigkeit des Lebens in Frage.“ Insbesondere bei Traumata die im Rahmen der Arbeitstätigkeit erlebt werden, quälen sich Betroffene mit Selbstvorwürfen, im entscheidenden Moment nicht anders reagiert zu haben. Sie entwickeln Schuld- und Schamgefühle sowie die fälschliche Annahme, sie hätten mit einem anderen Verhalten Ausgang eines Ereignisses positiv beeinflussen oder gar verhindern können.
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