In den letzten Jahren ist das Bewusstsein in der Bevölkerung für psychische Erkrankungen gestiegen und auch das Wissen darüber ist gewachsen – wozu auch das Internet wesentlich beigetragen hat. Parallel hat diese Entwicklung dazu geführt, dass Menschen vermehrt medizinische und therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Der Blick der Bevölkerung hat sich zudem für präventive Angebote zur Förderung der psychischen Gesundheit geöffnet. Gleichzeitig sind in jüngster Zeit verschiedene digitale Gesundheitsanwendungen auf den Markt gekommen, die Menschen beim Selbstmanagement von gesundheitsförderlichem Verhalten oder bei der Bewältigung von Erkrankungen unterstützen sollen. Gesetzlich krankenversicherte Menschen haben auf Basis des «Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)» inzwischen sogar einen Anspruch darauf, „risikoarme digitale Gesundheitsanwendungen“ für sich nutzen zu können. Umso wichtiger ist, dass die verfügbaren Angebote von hoher Qualität sind und zu dem Anlass eingesetzt werden, für den die Wirksamkeit bei gleichzeitig geringem Risiko erwiesen ist. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird ein Register zur Verfügung stellen, in dem künftig qualitätsgesicherte, wirksame Produkte aufgeführt sind.
„Insgesamt ist bei digitalen Angeboten zunächst die Unterscheidung zwingend notwendig, ob es sich dabei um Anwendungen zur Prävention oder um Anwendungen für den Erkrankungsfall handelt“, betont Dr. Iris Hauth von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Gesellschaftssitz in Berlin. „Im Krankheitsfall sollten nur Programme von Patienten genutzt werden, die ihre Wirksamkeit nachgewiesen haben und in der Anwendung datenschutzsicher sind. Auch sollte immer transparent sein, was der Nutzer im Krisenfall tun kann.“ Verschiedene Online-Interventionen bzw. sogenannte E‑Mental-Health-Anwendungen für psychisch erkrankte Menschen sind mittlerweile gut erforscht und haben sich als wirksam und geeignet erweisen. Interessierte gehen auf der Suche nach Gesundheits-Apps und Online-Interventionen aber oft auf eigene Faust vor und versprechen sich davon Unterstützung in der Gesundheitsvorsorge oder auch der Krankheitsbewältigung. Das birgt Gefahren, weil Ärzte in diesen Prozess bislang wenig eingebunden sind und Anwender mitunter nicht beurteilen können, ob die digitale Hilfestellung die gewünschte Unterstützungsfunktion auch bietet. Auch weisen Programme, die von Ärzten und Psychologen begleitet werden, bessere Ergebnisse im Sinne der Symptomreduktion und Zufriedenheit auf.
Digitale Unterstützung und Selbsthilfe in der Corona-Krise
Vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise können E-Mental-Health-Anwendungen, Apps und andere Online-Angebote einen wichtigen Beitrag für Menschen leisten, die aufgrund der Krisensituation psychisch belastet sind bzw. eine Therapie trotz Kontaktvermeidung beginnen oder weiterführen möchten. Die DGPPN hat hierzu eine Übersicht zusammengestellt. Es handelt sich um kostenlose Angebote sowie Angebote, die aufgrund der aktuellen Krisenlage auch ohne ärztliche oder psychologische Begleitung zugänglich sind.
Bei Erkrankung ist ärztliche Diagnostik unerlässlich
Im Fall einer längerfristig andauernden Symptomatik bzw. bei einem möglichen Erkrankungsfall ist eine ärztliche Diagnose unbedingt notwendig. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Erkrankungen auch wirkungsvoll behandelt werden können – sei es durch herkömmliche Verfahren oder mit Unterstützung durch digitale Anwendungen. „Viele psychische Beschwerden und Symptome können durch körperliche Ursachen – wie beispielsweise Schilddrüsenerkrankungen – verursacht sein. Auch können sich hinter ähnlichen Symptomen unterschiedliche Krankheiten verbergen“, erklärt Frau Dr. Hauth. „Eine differenzierte Diagnostik durch einen Mediziner ist zudem auch deshalb notwendig, weil gleichzeitig mehrere Erkrankungen auftreten können, die sich gegenseitig überlagern können.“
Ein hohes Risiko für Patienten stellen Apps dar, die vorgeben, eine Diagnose ermitteln zu können. Eine falsche Diagnose ist gefährlich, weil sie betroffene Menschen davon abhält, einen Arzt aufzusuchen, oder sie unnötig in Verzweiflung stürzt, weil sie fürchten, schwerwiegend erkrankt zu sein.
Link: Coronavirus: Empfehlungen zu E-Mental-Health der DGPPN
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