„Typisch für die PTBS sind einerseits Symptome des Wiedererlebens, die sich den Betroffenen tagsüber sowie auch in nächtlichen Angstträumen aufdrängen. Hierzu zählen «Flashbacks» in Form von szenischem und visuellem Wiedererleben, aber auch in Form von Geräuschen, Gerüchen oder Körpererinnerungen. Typisch ist ihr eindringlich «lebendiger Hier-und-Jetzt-Charakter» und die mit dem Wiederleben einhergehende hohe subjektive Belastung“, berichtet die Psychologin Frau lic. phil. Sonja Nydegger im Namen der Schweizer Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP), die ihren Sitz in Bern hat. „Diese Beschwerden sind traumaspezifisch, wenn sie mit traumatischen Belastungen in eindeutigem inhaltlichen Zusammenhang stehen, und wenn das Wiedererleben durch die Konfrontation mit der traumatischen Erinnerung oder mit entsprechenden Auslösereizen provoziert werden kann. Parallel sind Vermeidungssymptome charakteristisch: Dazu gehören Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit gegenüber der Umgebung und anderen Menschen sowie emotionale Taubheit. “ Auch die aktive Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten, sind häufige Verhaltensweisen von PTBS-Betroffenen. Zudem entwickelt sich ein Zustand vegetativer Übererregtheit, der sich in Form von Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhter Wachsamkeit oder ausgeprägter Schreckhaftigkeit manifestiert. Betroffene haben oft Schwierigkeiten, positiv in die Zukunft zu sehen, erleiden einen Verlust an Lebensfreude und können depressiv werden. Es können auch Scham- oder Schuldgefühle, starke Angst- oder Wutempfindungen und sekundär - im Sinne einer Selbstmedikation - ein Substanzmittelmissbrauch (z.B. übermässiger Konsum von Alkohol) auftreten.
Traumatisierungen durch Menschen wiegen besonders schwer
Erlebnisse, die eine Posttraumatische Belastungsstörung verursachen, können schwere Unfälle, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen oder Kriegshandlungen sein. „Grundsätzlich ist das Erkrankungsrisiko bei durch Menschen verursachte Traumatisierungen und bei wiederholten Traumatisierungen besonders hoch. Nach einer Vergewaltigung, anderen Gewaltverbrechen und Kriegstraumata erkranken bis zur Hälfte der Betroffenen an einer anhaltenden PTBS “, betont die Psychologin und Psychotherapeutin. „Einfache Posttraumatische Belastungsstörungen, die nach Monotraumatisierungen auftreten, d.h. nach Erleben eines einzigen traumatischen Ereignisses, haben in der Mehrzahl der Fälle gute Heilungschancen – sofern rechtzeitig eine geeignete Therapie eingeleitet wird. Bestehen die Symptome allerdings über Jahre, kommt es in etwa 30% der Fälle zu einem chronischen Verlauf.“ Grundsätzlich gilt, je früher der Beginn, je häufiger und schwerer die Traumatisierung - wie bei wiederholter physischer und sexueller Gewalt in der Kindheit, anhaltender Traumatisierung durch Krieg - desto grösser ist das Risiko für die Entwicklung einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung. Dabei handelt es sich um eine gravierende Traumafolgesstörung und die Behandlung dauert oft Jahre. Diese Störung umfasst ein komplexes Symptommuster in Form einer Störung der Regulation von Gefühlen und Stimmungsschwankungen, einer Störung der Wahrnehmung oder des Bewusstseins (Amnesien, dissoziative Episoden), einer Störung der Selbstwahrnehmung (Scham, Schuldgefühle, unzureichende Selbstfürsorge u. a.), einer Störung in der Beziehung zu anderen Menschen (Misstrauen, Rückzug), körperlichen Beschwerden sowie einer Veränderung der Lebenseinstellung.
Frühzeitige Therapie verbessert Behandlungsaussichten
Die Diagnose einer einfachen Posttraumatische Belastungsstörung wird gestellt, wenn die Symptome Wiedererleben, Vermeidungsverhalten und vegetative Übererregtheit über mehr als vier Wochen bestehen und die Leistungsfähigkeit in wichtigen Lebensbereichen eingeschränkt ist. Durch eine frühzeitige psychotherapeutische Betreuung nach schrecklichen Erlebnissen kann der Chronifizierung einer posttraumatischen Belastungsstörung entgegengewirkt werden. Auch eine vorhandene PTBS kann durch eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung gebessert oder geheilt werden. Ob traumatische Erlebnisse bewältigt werden können oder ob sich bleibende Symptome entwickeln, hängt stark davon ab, inwieweit persönliche und soziale Ressourcen vorhanden sind und mobilisiert werden können. „Die Behandlung besteht in erster Linie aus einer stabilisierenden, ressourcenorientierten und traumafokussierten Psychotherapie. Dies umfasst anerkannt wirksame Konfrontationsverfahren wie beispielsweise EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), langandauernde Konfrontation (prolonged exposure) oder NET (Narrativ Exposure Therapy), welche nur von entsprechend ausgebildeten Fachpersonen angewandt und durchgeführt werden dürfen. Falls erforderlich kann die Behandlung zusätzlich mit medikamentöser Unterstützung erfolgen. Ziel ist es, dem Betroffenen unter anderem zu helfen, die Alltagsfunktionalität und die Symptombelastung - Angst, Depressivität und Schwierigkeiten in Beziehungen - zu verbessern. Dabei wird nach Stärken und Fähigkeiten gesucht, über die jemand verfügt und mit denen frühere Krisen bewältigt werden konnten. Wichtig ist zudem, dem Betroffenen zu helfen, Kontrolle über seine ungewollt auftretenden Erinnerungen zu erlangen, d.h. innere Bilder, Geräusche, Gefühle, Körperempfindungen, die Folgen des Traumas sind, besser zu verstehen und zu verarbeiten. Ebenso wird man ihn dabei zu unterstützen, das Trauma als Teil der Lebensgeschichte zu integrieren und neuen Sinn im Leben zu finden“, so die Expertin.
Über die Hälfte aller Menschen werden im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert. Die Lebenszeitprävalenz, d.h. die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, liegt weltweit bei etwa 8%.
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