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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Krankhafte Angst unterscheidet sich von situativer Alarmbereitschaft und Besorgnis

Viele Menschen sind momentan in Sorge und verspüren vielleicht auch Ängste. Angststörungen sind jedoch nicht mit den Ängsten gleichzusetzen, wie sie beispielsweise durch die aktuelle Bedrohung durch Corona-Infektionen, durch Klimaextreme oder auch durch Terrorgefahr oder andere reale Belastungen ausgelöst werden. Angststörungen sind schwerwiegende psychische Erkrankungen, die einen hohen Leidensdruck bei Betroffenen erzeugen.

Angst ist zunächst ein ganz normales, natürliches Gefühl. Dabei können sich die Inhalte der Angst natürlich verschieben – je nachdem, welche Themen gerade im Vordergrund stehen. Angst darf nicht generell als etwas Feindliches oder Gefährliches bewertet werden. Angst ist für Menschen vielmehr eine überlebenswichtige Vertraute, die hilft, Gefahren zu erkennen und zu vermeiden und die zur Anpassung an veränderte Umweltbedingungen beiträgt. Ausgangspunkt von Ängsten ist oft der Eindruck, etwas nicht kontrollieren zu können. Allerdings ist es immer wichtig einzuschätzen, ob die Angst nicht überhandnimmt und krankhafte Prozesse ihr zugrunde liegen. Denn während uns die Angst in wirklich bedrohlichen Situationen vor Schaden schützen und uns aufmerksam machen soll, so kann zu viel Angst in Form einer Angststörung unser Denken hemmen, unser Verhalten negativ beeinflussen und den Alltag deutlich einschränken. „Eine Angststörung liegt vor, wenn die eigentlich natürliche Schutzfunktion des Körpers vor Ängsten langfristig so immense Ausmaße annimmt, dass sich ihr alles andere unterordnet – auch der Verstand. Wenn Menschen bei Ängsten nicht mehr in der Lage sind, ihre Gedanken und Gefühle zu kontrollieren und das Leben stark beeinträchtigt ist, hat das Krankheitswert“, erklärt Prof. Arno Deister von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz in Berlin. Ist das Angsterleben eine tägliche Erfahrung, die über einen längeren Zeitraum anhält, erzeugt sie viel Leid, ist auf vielen Ebenen überaus einschränkend und sollte unbedingt behandelt werden.

Rationale Angst ist eine gesunde Angst und hat ihre reale Berechtigung

Angststörungen sind nicht mit den Ängsten oder einer alarmierten Besorgnis gleichzusetzen, wie sie beispielsweise durch die aktuelle Bedrohung durch Corona-Infektionen, durch Klimaextreme oder auch durch Terrorgefahr oder andere reale Belastungen ausgelöst werden kann. „Auch wenn sich zuletzt sorgenvolle Ereignisse scheinbar verdichtet haben und sich durchaus längerfristiges ein «mulmiges Gefühl» einstellt, handelt es sich in der Regel nicht um eine krankhafte Entwicklung, sondern um eine berechtigte Gefühlslage, die eine Anpassungsleistung auf veränderte Umweltbedingungen erforderlich macht“, betont der Experte. „Bei einer Angststörung schaukeln sich Angstzustände innerhalb kurzer Zeit auf und bleiben länger als normal bestehen. Angstpatienten leiden oft dauerhaft unter Schreckhaftigkeit und Angst, die nicht situationsgebunden sind, und haben oft gleichzeitig Konzentrations- und Schlafstörungen. Krankhafte Ängste können aber auch still verlaufen, sich in Form von zermürbenden Grübelgedanken und permanenter körperlicher Anspannung zeigen. Gleichzeitig besteht meist eine Unfähigkeit, zu entspannen, was sich in körperlichen Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen äußern kann.

Angststörungen sind gut behandelbare psychische Erkrankungen

Wenn Ängste behandlungsbedürftig sind, sind sie in der Regel gut ambulant behandelbar und benötigen nur selten eine stationäre Therapie. Viele Angstpatienten können lernen, das Angsterleben hinter sich zu lassen oder zumindest soweit zu kontrollieren, dass sie dadurch im Alltag nicht mehr eingeschränkt sind. „Bei der Behandlung von Angststörungen hat sich die Verhaltenstherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie, als besonders wirksam erwiesen. Bei ausgeprägten Erkrankungsbildern können vorübergehend und nach ärztlicher Verordnung auch angstlösende Medikamente wie Antidepressiva hilfreich sein“, berichtet Prof. Deister.
Die Anfälligkeit, eine Angststörung zu entwickeln, ist zu einem Teil auch biologisch bedingt. Manche Menschen sind von Natur aus sehr stressempfindlich, da sie ein besonders reaktives vegetatives Nervensystem besitzen. Trotz einer gegebenen Anfälligkeit muss eine Angststörung aber nicht zwangsläufig eintreten, es müssen immer auch andere Ursachen hinzukommen, die eine Art Teufelskreis in Gang setzten, wodurch die Angststörung dauerhaft aufrechterhalten wird. Menschen, die zur Ängstlichkeit neigen, können durch Erlernen von Entspannungstechniken ihre Selbstkontrolle erhöhen und Angstzustände dadurch verringern.

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