Untersuchungen zur sogenannten „Männerdepression“ zeigen, dass sich Depressionen bei Männern und Frauen unterschiedlich äußern und sich auch die Risikofaktoren unterscheiden. Frauen sind eher anfällig für Stress, der aus engen Beziehungen in ihrem sozialen Umfeld hervorgeht. Bei Männern liegen die typischen Stressoren eher im Umfeld ihrer Erwerbstätigkeit und sind leistungsbezogen. „Sozialisationsbedingt und auch evolutionsbiologisch haben sich bestimmte Stereotypen bei Männern und Frauen entwickelt, die kulturell erwartete Fähigkeiten und Verhaltensweisen abbilden. Männer erleben sich noch immer als Ernährer der Familie und als «das starke Geschlecht». Zu ihrem Rollenbild gehört, stressresistent und belastbar zu sein sowie auch Kontrolle und Unabhängigkeit zu bewahren“, schildert Dr. Christa-Roth-Sackenheim vom Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) mit Verbandssitz in Krefeld. „Typische männliche Risikofaktoren für Depression sind daher Ereignisse oder Lebenslagen, die ihren sozialen Status bedrohen, wie Arbeitslosigkeit, geringer Verdienst und berufliche Gratifikationskrisen. Hierzu gehört auch die Pensionierung, die gleichzeitig mit dem Verlust von leistungsorientierter Anerkennung einhergeht.“ Grundsätzlich ist es jedoch ein Zusammenspiel von zahlreichen biologischen und psychosozialen Einflussfaktoren, welche die geschlechtsspezifischen Unterschiede der psychischen Gesundheit von Männern und Frauen beeinflussen.
Depressive Symptome werden weder von innen noch von außen erkannt
Männer mit depressiven Episoden nehmen die Symptome oft nicht als solche wahr, versuchen sie zu ignorieren oder zu überspielen. Neben den typischen Symptomen treten bei Männern häufiger auch Gereiztheit, Irritabilität, Aggressivität, Wut oder antisoziales Verhalten auf. Dieses Verhalten wird unter Stressbedingungen beziehungsweise durch Serotoninmangel noch verstärkt. „Weil ein gewisses Maß an Ellbogenmentalität und Konkurrenzdenken sozial akzeptiert sind, werden solche Verhaltensweisen häufig positiv als Durchsetzungsstärke ausgelegt – von außen aber auch von den Betroffenen selbst“, meint die Psychiaterin und Psychotherapeutin aus Andernach. „Depressive Symptome werden also oft nicht als solche erkannt, weil sie durch geschlechtstypische Stresssymptome maskiert sind“. Dies hat zur Folge, das eine vorliegende Depression nicht diagnostiziert und nicht behandelt wird. In Deutschland erkranken innerhalb von 12 Monaten knapp 5 Prozent der erwachsenen Männer an einer Depression. Gleichzeitig ist bei ihnen eine deutlich höhere Rate für Suchterkrankungen sowie für (vollendeten) Suizid festzustellen.
Auch Frauen können «maskuline» Depressions-Symptome zeigen
Die „Männerdepression” ist nicht immer spezifisch und äußert sich nicht pauschal bei allen Männern in der beschriebenen Form. Bei einem anderen Teil der Betroffenen können auch die gängigen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, Selbstzweifel und Antriebsmangel überwiegen. Auch körperliche Symptome wie Schlafstörungen und Schmerzen können dominieren. „Gleichzeitig gibt es auch Frauen, deren depressive Symptome eher auf die „maskuline“ Seite des Symptom-Spektrums fallen“, ergänzt die Psychiaterin. „Das Phänomen der Männerdepression stellt in dem Sinn also kein Gegenkonzept zur üblichen Depression dar.“
Es sind 16 bis 20 von 100 Personen, die im Laufe ihres Lebens eine Depression erleiden. Frauen erhalten die Diagnose etwa doppelt so häufig wie Männer, wobei Depression bei Männern als unterdiagnostiziert gilt. Depressive Erkrankungen können in jedem Lebensalter auftreten.
Quelle:
Anne Maria Möller-Leimkühler, Männer erleben Depressionen anders, Ärzte Zeitung online, 27.03.2018
(äin-red) Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.psychiater-im-netz.org. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des Patientenportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.