Menschen, die Beteiligte oder Zeugen eines schrecklichen Geschehens wurden, wie etwa einer Naturkatastrophe, eines schlimmen Unfalls oder einer Gewalttat, sollten unmittelbar nach Verlassen der Gefahrenzone einen geschützten Bereich aufsuchen. Denn nach einem lebensbedrohlichen oder potenziell traumatisierenden Ereignis entsteht für Betroffene meist ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. „Als erste Hilfsmaßnahme ist es zunächst wichtig, neben notwendigen medizinischen Maßnahmen, in einer möglichst ruhigen Schutzzone Fürsorge zu erfahren und beispielsweise mit Decken, Wasser oder Nahrungsmitteln versorgt zu werden. Betroffene sollten direkt nach einer Krisensituation das Gefühl bekommen, dass ihnen nichts mehr passieren kann und dass sie nicht alleine sind“, meint Prof. Dr. med. Martin Driessen von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Als weiterer Schritt ist es hilfreich, Unterstützung vor Ort durch beruhigende Gespräche zu erfahren, sofern dies möglich ist, durch Beratung und Begleitung von speziell geschulten Notfallhelfern, Notfallseelsorgern oder Notfallpsychologen.“ In einem Gespräch könnten dann zum Beispiel individuelle Fragen beantwortet und gegebenenfalls der Hintergrund des Geschehens erklärt werden. Als nicht hilfreich hat sich dagegen eine frühe und detaillierte Besprechung und Bearbeitung der traumatischen Erlebnisse herausgestellt.
Gespräche und Bewegung können Angst und Spannungen abbauen
Nach einer akuten Krisensituation wird der Kontakt mit Menschen - insbesondere mit Freunden oder Angehörigen - als erleichternd empfunden. Daher sollten Betroffene möglichst nicht alleine in eine leere Wohnung nach Hause gehen, sondern bei Freunden übernachten oder diese bitten, bei einem zu bleiben. „Nach einem traumatischen Geschehen kann man sich bewusst machen, dass das Ereignis nun vorbei ist und man sicher ist. Zudem ist es in der Regel hilfreich, über den Vorfall mit anderen zu reden. Dies kann dabei helfen, leichter über das Geschehene hinweg zu kommen. Dabei können vertraute Menschen fürs erste oftmals besser helfen als professionelle Ansprechpartner“, so Prof. Driessen. „Bewegung und Sport können dazu beitragen, Angst und Spannungen abzubauen. Hingegen sollte auf den Konsum von anregenden Stimulanzien wie Kaffee und Zigaretten möglichst verzichtet werden. Auch sollten kein Alkohol und möglichst keine Beruhigungsmittel eingenommen werden, da dies einen adäquaten Umgang mit der Problematik eher erschwert und nach längerem und erhöhten Gebrauch letztlich auch die Gefahr einer Suchterkrankung birgt.“ In der Zeit nach einem potentiell traumatisierenden Ereignis ist es grundsätzlich vorteilhaft, soweit möglich genügend Schlaf zu finden, sich gesund zu ernähren und sich regelmäßig zu bewegen. Die normale Routine sollte möglichst bald wieder aufgenommen werden, wobei übermäßiger Stress vermieden werden sollte und man es zunächst etwas ruhiger angehen lassen kann.
Bei anhaltenden Ängsten und Anspannung Facharzt aufsuchen
Die psychische Verarbeitung eines traumatischen Erlebnisses kann mehrere Wochen andauern und von Symptomen wie Wiedererinnerung, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie auch Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit begleitet werden. „Derartige Symptome sind zunächst eine völlig normale Reaktion eines Verarbeitungsprozesses, sofern sie in den folgenden Tagen und Wochen langsam abklingen. Haben Betroffene jedoch das Gefühl, mit dem Erlebten nicht zurechtzukommen, weil sie beispielsweise ausgeprägte Ängste entwickeln und im Alltag nicht zurechtkommen, sollten sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Auch wenn die Symptome länger als vier Wochen bestehen, müssen sie unbedingt ernst genommen werden“, rät der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. „Traumatisierten Menschen mit einem hohen Risiko für eine Folgestörung kann durch eine adäquate Therapie geholfen werden, um anhaltendes Leiden zu vermindern und bestenfalls zu verhindern.“ Hilfe bieten Fachärzte, traumatherapeutisch geschulte Psychotherapeuten sowie die in zahlreichen Bundesländern etablierten Opferambulanzen.
Über die Hälfte aller Menschen werden im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert. Wie gut die psychische Verarbeitung dessen gelingt, oder ob die betroffene Person erkrankt, hat nichts damit zu tun, dass sie grundsätzlich zu «labil» oder zu «schwach» ist. Auf die Entwicklung von Traumafolgestörungen wie beispielsweise der Posttraumatischen Belastungsstörung nimmt eine Vielzahl von Risikofaktoren Einfluss. Die Lebenszeitprävalenz, d.h. die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, liegt weltweit bei etwa 8%.
„Traumatischer Stress und die Folgen“ sind auch das Thema des 19. Hauptstadtsymposiums der DGPPN, dass am 18. März 2015 von renommierten Expertinnen und Experten im „Auditorium Friedrichstraße“ in Berlin diskutiert wird.
Mehr Informationen unter www.psychiater-im-netz.org bzw. www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/risikofaktoren/traumata-schwere-belastungen/
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