Dass seelische Erkrankungen im Spitzensport immer noch ein Tabuthema sind, hat das Beispiel Robert Enke gezeigt. Experten möchten sich künftig verstärkt mit der Problematik auseinander setzen und plädieren dafür, dass noch offener mit dem Thema umgegangen wird. Experten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) räumen gleich mit mehreren Vorurteilen auf, die den Umgang mit seelischen Problemen im Spitzensport erschweren.
Dr. Valentin Markser aus Köln betont, dass psychiatrische Erkrankungen bei Leistungssportlern genauso häufig seien wie in der Allgemeinbevölkerung. „Die Selektionshypothese, wonach Spitzensportler keine psychiatrischen Erkrankungen haben könnten, weil sie sonst nicht so weit gekommen wären, ist falsch“, so Markser. Einige psychiatrische Erkrankungen seien im Sport sogar deutlich häufiger als sonst: „In manchen ästhetischen Sportarten ist beispielsweise das Risiko für Essstörungen zwanzigfach erhöht.“
Anders als psychische Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung, die deutlich enttabuisiert wurden, sind psychiatrische Erkrankungen im Leistungssport noch immer ein „Unthema“. Die Gründe dafür seien nachvollziehbar, aber falsch, so Markser. So bedeute eine psychische Erkrankung keineswegs das Ende einer Sportlerkarriere. „Derrick Adkins hat 1996 in Atlanta unter antidepressiver Therapie die Goldmedaille im Hürdenlauf gewonnen. Und der Basketballspieler Ron Artest hat sich nach dem Gewinn des US-Meisterschaft öffentlich für seine psychotherapeutische Behandlung bedankt.“ Das sind freilich Ausnahmen. „Im Umfeld vieler Vereine ist es noch immer schwierig, für betroffene Sportler einen Ansprechpartner zu finden, zumal die Sportpsychologen häufig zum Trainerteam gehören und vom Verein bezahlt werden“, sagte Jan Baßler, Geschäftsführer der im Januar gegründeten Robert Enke-Stiftung.
Sportler mit seelischen Erkrankungen brauchen niedrigschwellige Anlaufstellen und spezifische Angebote für eine psychiatrische Versorgung. Zusammen mit der Robert-Enke-Stiftung will die DGPPN die Sportpsychiatrie stärker in den Fokus nehmen und Netzwerke und Einrichtungen unterstützen, die Hilfe für Sportler anbieten. Eine wichtige Plattform dafür soll das neue, von der Stiftung mit finanzierte Referat Sportpsychiatrie der DGPPN sein.
Quelle: SpringerMedizin.de