Deutschland gehört zu den Ländern mit dem höchsten Seniorenanteil in Europa. Über 21 Prozent der Bevölkerung sind heute schon älter als 65 Jahre. Das Altern stellt viele Menschen vor neue Herausforderungen und geht mit einem höheren Risiko für die häufigsten psychischen Erkrankungen einher. Weil Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer, sind sie öfter betroffen. „Krisensituationen wie der Verlust von nahestehenden Menschen, ein Wechsel der gewohnten Umgebung oder auch körperliche Erkrankungen sind oftmals Auslöser für psychische Erkrankungen bei Senioren. Dazu gehören beispielsweise anhaltende Trauerreaktionen, depressive Verstimmungen, Ängste, Suchtprobleme und Demenzen“, berichtet Prof. Frank Jessen im Namen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz in Berlin. „Im Alter sind psychische Beeinträchtigung aber oft die Folge mehrerer körperlicher und emotionaler Belastungen, denen ältere Menschen in besonderer Weise ausgesetzt sind. Selten sind sie einer einzigen Ursache zuzuordnen“. Ältere Menschen haben im Laufe ihres Lebens oft eine erstaunliche seelische Widerstandsfähigkeit entwickelt, um mit Enttäuschungen und Verlusten fertig zu werden. Aber es gibt Situationen, in denen diese nicht ausreichen, um selbsttätig eine tiefgreifende Depression oder eine Angsterkrankung zu überwinden. Besonders problematisch ist, dass viele psychische Erkrankungen im höheren Lebensalter nicht diagnostiziert werden, weil sie oft als normale Begleiterscheinungen des Alterns abgetan werden. Ältere haben zudem häufig eine größere Scheu, sich gegenüber einem Arzt oder eigenen Angehörigen offen mitzuteilen.
Therapie- und Hilfsangebote speziell für ältere Menschen
Auch im höheren Lebensalter ist es aber lohnenswert, sich bei psychischen Problemen professionelle Hilfe zu suchen. Wenn negative Gefühle, Ängste oder Suchtprobleme so belastend werden, dass sie das Leben von älteren Menschen nachhaltig überschatten und eigene Bemühungen, die Probleme selbst oder mit Hilfe des Umfeldes zu lösen, nicht erfolgreich waren, ist eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sinnvoll. Erster Ansprechpartner bei psychischen Problemen kann der Hausarzt sein - er kann gegebenenfalls an einen Facharzt verweisen. „Inzwischen gibt es viele Therapieangebote und Einrichtungen, die speziell auf die Bedürfnisse von älteren Menschen ausgerichtet sind“, betont der Experte. „Spezielle Therapieprogramme haben das Ziel, eine selbstständige Lebensführung wiederzuerlangen oder zu erhalten. Auch geht es darum, wie ältere Menschen trotz möglicher Einschränkungen mehr Lebensqualität gewinnen und Ihr Wohlbefinden stärken können.“ Therapieziele sind oft eine Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens, eine Verbesserung der sozialen Fähigkeiten, die Förderung von Interaktion und Kommunikation, der Umgang mit Sterben und Tod sowie der achtsame Umgang mit dem eigenen Körper.
Zuspruch und Unterstützung durch das Umfeld günstig
Wenn es älteren Menschen gelingt, psychische Erkrankungen zu bewältigen, können sie ein hohes Maß von Zufriedenheit, Lebensqualität und Erfüllung wiedergewinnen. Doch vielen Menschen fällt es noch schwer, sich psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfe zu suchen, wenngleich jüngere Generationen eine zunehmend aufgeschlossenere Haltung gegenüber psychischen Erkrankungen haben. Gerade für ältere Menschen ist Psychotherapie noch eher ein Tabu. „Es ist dann hilfreich, wenn die Betroffenen Unterstützung und Zuspruch durch ihr soziales Umfeld erhalten und auch ein Stück weit an die Hand genommen werden. So können sie sich leichter von möglichen Ängsten und Vorurteilen frei machen“, rät der Experte. Eine Psychotherapie kann viel Leid ersparen.
Kaum eine Entwicklung wird Deutschland in den kommenden Jahren so prägen wie der demographische Wandel. Deshalb ist es wichtig, gerade auch bei älteren Menschen Selbstheilungskräfte und Widerstandskraft zu stärken und damit das Risiko von psychischen und körperlichen Erkrankungen zu minimieren. Als Faktoren, die zu einem gesunden und befriedigenden Älterwerden beitragen, gelten insbesondere körperliche, geistige und soziale Aktivitäten. Daneben sind niederschwellige, altersgerechte Therapie und psycho-soziale Hilfsmöglichkeiten von zentraler Bedeutung.
Das DGPPN-Hauptstadtsymposium „Demenz, Depression, Delir: Herausforderungen einer alternden Gesellschaft“ am Mittwoch, den 03.04.2019, will auf die Bedeutung der bedarfsgerechten Versorgung von alten Menschen mit psychischen Erkrankungen aufmerksam machen und aufzeigen, dass dies in einer alternden Gesellschaft ein gemeinsames Ziel sein muss. Es findet in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP)statt: www.dgppn.de/dgppn-akademie/hauptstadtsymposien/27-hauptstadtsymposium.html
Quellen:
Statista (de.statista.com)