Viele Menschen probieren Glückspiel einmal aus. Bei manchen Personen nimmt das Spielverhalten einen problematischen Verlauf bis hin zum krankhaften Glückspiel. Dieses zeichnet sich durch häufiges, wiederholtes Spielverhalten aus, wobei die Betroffenen einen starken, kaum kontrollierbaren Spieldrang verspüren. Gleichzeitig werden sie von einer gedanklichen Bindung an den Spielvorgang samt dessen Begleitumstände beherrscht. Menschen, die sich zum Glücksspiel hingezogen fühlen, sollten auf erste Anzeichen einer problematischen Entwicklung achten. „Ernstzunehmende Hinweise für ein Suchtverhalten sind, wenn sich Personen gedanklich sehr viel mit Glücksspiel beschäftigen - also vergangene Spielerlebnisse in Gedanken erneut durchleben, das nächste Glückspiel planen und andere Aktivitäten und soziale Beziehungen zugunsten des Spielens in den Hintergrund treten“, warnt Dr. Olivier Simon im Namen der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) mit Sitz in Bern. „Diese Menschen sollten sich unbedingt frühzeitig Hilfe holen, indem sie beispielsweise eine Beratungsstelle für Spielsucht aufsuchen. Betroffene oder auch ihre Angehörigen können sich dort informieren und gegebenenfalls professionelle Hilfsangebote wahrnehmen.“ Erste Schritte zur Begrenzung des problematischen Verhaltens können dann beispielsweise darin bestehen, mit der behandelten Person zu besprechen, wie sie Verführungen aus dem Weg gehen kann. Betroffene können sich auf eigene Initiative eine Spielersperre für Casinos auferlegen. Diese Möglichkeit ist gesetzlich vorgesehen. Sie umfasst jedoch keinen funktionierenden Ausschluss bei der Teilnahme an Grossspielen (Lotterie- und Wettspiele), da - mit Ausnahme von Online-Zugängen - eine Identifikation des Spielers erst stattfindet, wenn ein größerer Gewinn ausbezahlt wird. Auch bei der Nutzung von Lotteriespielautomaten - wie Tactilo oder Touchlot - fehlen weitestgehend Zugangsbeschränkungen, wodurch es Spieler nicht möglich ist, ein persönliches Limit oder den kompletten Ausschluss einzuhalten.
Als weitere Möglichkeit der Spielbeschränkung kann man gemeinsam mit dem Betroffenen und seinem Lebenspartner Maßnahmen ins Auge fassen, den Zugang zu Finanzmitteln zu limitieren – etwa durch Zugangsbeschränkungen zu Konten oder der Bankkarte. Grundsätzlich stehen auch psychotherapeutische Maßnahmen zur Verfügung, um beispielsweise die Auslöser für das Verhalten zu identifizieren und Betroffenen dabei zu helfen, sich einen anderen Umgang mit diesen Situationen anzueignen. Man kann lernen, Stress oder unangenehme Gefühlszuständen auf gesunde Weise adäquat zu bewältigen.
Symptome ähneln stoffgebundenen Abhängigkeiten
Beim krankhaften Glücksspiel handelt es sich in der Regel um chronisch kontinuierliche Krankheitsverläufe, die sich zuspitzen und zu einem psychischen und/oder existenziellen Zusammenbruch (Schulden, Beziehungs- und Familienprobleme, Arbeitsplatzverlust, psychosomatische Beschwerden etc.) führen können. Der Übergang von gelegentlichem Glücksspiel bis hin zur Spielsucht lässt sich in drei Phasen unterteilen. In der Gewinnphase ist das Spielen auf die Freizeit beschränkt und Verluste werden ausgeglichen. Gleichzeitig steigen spielspezifische Kenntnisse und auch die Risikobereitschaft. Der Übergang in die Verlustphase, in welcher die Spielintensität steigt und höhere Einsätze und Gewinne notwendig sind, um Gewöhnungseffekte auszugleichen, ist dann fliessend. Es können sich erste familiäre, berufliche und auch finanzielle Probleme entwickeln. „In der Verzweiflungsphase ist praktisch keine Kontrolle mehr möglich und das Glücksspiel ist zum Lebensmittelpunkt geworden. Trotz erkennbaren Folgeschäden spielen die Betroffenen weiter. Versuche, abstinent zu bleiben, enden regelmässig im Rückfall und Betroffene entwickeln psychische Symptome, die denen stoffgebundener Süchte ähneln“, erklärt Dr. Simon. „Als psychischen Entzugserscheinungen können beispielsweise Unruhe und Traurigkeit, Reizbarkeit sowie auch Schuldgefühle und eine Antriebsminderung in den meisten anderen Lebensbereichen auftreten.“
Spielen wird zur Besserung des Wohlbefindens eingesetzt
Der Grossteil der krankhaften Spieler sucht weniger den monetären Gewinn, sondern vielmehr die Emotionen, die Erregung und auch körperliche Aktivierung die mit dem Gewinnen und der Hoffnung auf einen Gewinn verbunden sind. Entscheidend ist, dass sich das Spielen unmittelbar positiv auf die physiologische, mentale und emotionale Verfassung des Spielers auswirkt. „Beim Glücksspiel treten Probleme und Belastungen schnell in den Hintergrund. Auch dient das Spielverhalten bei ängstlicher oder deprimierter Stimmungslage sowie bei Hoffnungs- und Hilfslosigkeit der Stimmungsverbesserung – ähnlich einer Substanzdroge“, berichtet der Experte. „Die durch das Spielen hervorgerufenen Folgeprobleme führen zu vermehrter psychischer Missbefindlichkeit, weswegen das Verhalten aufrechterhalten und sogar weiter stabilisiert wird.“ Neben Automaten in Gaststätten und Spielhallen bietet vor allem das Internet inzwischen eine Fülle an neuen Formen des Glücksspiels an. Ein immer weniger limitierter Zugang zum Internet ermöglicht es, Verhaltensweisen wie Glücksspiel quasi rund um die Uhr, von überall aus nachkommen zu können.
Geldspiel-Störungen beginnen meist schon in der Adoleszenz. Es sind Menschen aller Gesellschafts-, Bildungs- und Einkommensschichten betroffen. Studien einschließlich Schweizer Befragungen legen nahe, dass in den meisten europäischen Ländern bis zu 3,5 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren von exzessivem Glückspiel betroffen sind (1). Die Erkrankung geht mit erhöhten Gesundheitsausgaben einher. Laut einer Arbeit aus dem Jahr 2012 scheint es, dass übermäßiges Spielen neben erheblichen Einbussen an Lebensqualität jährlich zwischen 551 und 648 Millionen Schweizer Franken kostet (2).
Quellen:
(1) Y.Eichenberger, M. Rihs-Middel, Glücksspiel: Verhalten und Problematik in der Schweiz, ferarihs, August 2014
(2) Jeanrenaud, C., Gay, M., Kohler, D., Besson, J. & Simon, O. (2012). Le coût social du jeu excessif en Suisse. Neuchâtel, Suisse : Université de Neuchâtel.
Links zu Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen bei Verhaltenssüchten:
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