Jährlich sterben in Deutschland etwa 10.000 Menschen durch Suizid. Das sind mehr Todesfälle als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen. Die Zahl der Suizidversuche liegt noch um ein Vielfaches höher. Neuere Daten zeigen, dass von jedem Suizid schätzungsweise 135 Personen mitbetroffen sind . Neben den Angehörigen, Freunden, Kollegen oder Mitschülern können auch Außenstehende davon erschüttert werden, die beispielsweise Zeugen wurden oder Ersthelfer waren. Diese hohe Zahl Mitbetroffener lässt erahnen, wie weitreichend Suizidalität sein kann. Sie zeigt zugleich aber auch auf, dass es in der Gesellschaft viele Berührungspunkte damit gibt, worin auch eine Chance besteht, den Umgang mit Suizidalität zu verbessern und Ansatzpunkte zur Prävention besser zu nutzen. „Suizide geschehen in den allermeisten Fällen nicht als freie Entscheidung des Betroffenen, sondern sind Ausdruck einer für das Individuum extrem starken inneren seelischen Not und seelischen Schmerzes. Im Zentrum steht eine völlige Verzweiflung, aus deren Gedanken und Gefühlskonstrukt sich Menschen nicht mehr von sich aus befreien können“, erklärt Dr. med. Ute Lewitzka von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz der Gesellschaft in Berlin. „Hinhören, hinsehen und diese Menschen ernst nehmen ist etwas, das jeder tun kann. Menschen in suizidalen Krisen reagieren in der Regel entlastet, wenn sie über ihr Gedanken sprechen können und ihnen einfach nur jemand zuhört.“ Hat man den Eindruck, ein Mensch aus dem persönlichen Umfeld erlebt eine scheinbar ausweglose Situation oder befindet sich in sehr schlechter seelischer Verfassung, kann man ihn sachlich und ruhig auf mögliche Selbsttötungsgedanken ansprechen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man diese Person erst auf die Idee bringt, einen Suizid zu verüben, wenn man mit ihr darüber spricht.
Berührungsängste und Stigmatisierung abbauen
Wegen der verbreiteten Stigmatisierung von Suizid sowie auch psychischen Erkrankungen zögern die Betroffenen, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen. Daher ist das gesellschaftliche Umfeld so wichtig, um Suizidgefährdete den Raum zu geben, über ihre Gedanken zu sprechen. „Viele Konsequenzen die aus Stigmatisierung hervorgehen, wie soziale Isolation, ein verringertes Selbstwertgefühl sowie Hoffnungslosigkeit, gelten als Risikofaktoren von Suizidalität. Entsprechen kann ein offener und toleranter Umgang mit dem Thema eine wichtige Komponente erfolgreicher Suizidprävention sein“, erklärt Dr. Lewitzka. „Hilfe und Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt kann Suizidversuche und Suizid verhindern.“ Vielen Suiziden gehen Warnsignale voraus - in Form von Äußerungen oder auch Verhaltensweisen auf die man achten kann.
Auch die Angehörigen und Betroffenen nach einem Suizid geraten nicht selten selbst in die soziale Isolation, weil das Umfeld oft sprachlos reagiert. Menschen haben selten den Mut, mit den Zurückgebliebenen über das Thema zu sprechen und diese bleiben dann in ihrer schwierigen Situation stecken. „Ein offener, angemessener Umgang mit dem Thema ist wichtig, um die Betroffenen dabei zu unterstützen, langfristig mit dem Ereignis umgehen zu können. Hinterbliebene von Suizidopfern erleben oft starke Schuld-und Schamgefühle, sie selbst können ein erhöhtes Suizidrisiko aufweisen“, ergänzt die Expertin. Alle Maßnahmen und Verhaltensweisen zur Verringerung der Stigmatisierung von Suizidalität können daher eine wichtige Komponente erfolgreicher Prävention sein.
In Deutschland gibt es Telefonseelsorgestellen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit anonym Beratung am Telefon anbieten – für Suizidgefährdete aber auch für Menschen, die fürchten, dass sich eine andere Person etwas antun könnte. Unter der bundeseinheitlichen Telefonnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 kann man sich beraten lassen, wie man sich in der unmittelbaren Situation verhalten soll und darüber informieren, ob es notwendig ist, weitere Schritte zu unternehmen.
Weitere Informationen:
Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) hat eine Übersicht zu bundesweiten Beratungsangeboten bei Krisen und Hilfsangeboten für Suizidgefährdete zusammengestellt:
www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/adressen/
Welt-Suizid-Präventionstag am 10. September - Hand in Hand für Suizidprävention
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2003 erstmals den 10. September als Welt-Suizid-Präventionstag ausgerufen. An diesem Datum finden jährlich weltweit Veranstaltungen statt, die vorwiegend von Organisationen aus dem Bereich der Suizidprävention veranstaltet werden. Der Aktionstag wird von der International Association for Suicide Prevention (IASP) organisiert (https://iasp.info/wspd2018/) und hat in diesem Jahr das Motte „Hand in Hand für Suizidprävention“.
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