Bemerkt man bei einem Arbeitskollegen, dass er ein Alkoholproblem hat, ist es wichtig, die Angelegenheit nicht zu verschweigen, sondern ihn darauf anzusprechen. „Je eher jemand auf seinen problematischen Alkoholkonsum angesprochen wird, desto günstiger ist es, denn in einem frühen Suchtstadium ist es um einiges leichter, vom Alkohol wieder loszukommen“, sagt Prof. Wolfgang Gaebel von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Besonders wenn das Verhältnis freundschaftlich geprägt ist, kann das sehr hilfreich sein. Wichtig dabei ist, dass das Gespräch am Arbeitsplatz diskret abläuft und dem Betroffenen keine Vorwürfe gemacht werden. Man sollte Verständnis für die von der Person dargelegten Gründe der Alkoholsucht zeigen und sie dazu anregen, sich Gedanken zur Lösung des Problems zu machen.“ Dabei ist es vorteilhaft, wenn der Gesprächszeitpunkt kurz vor Feierabend ist oder vor dem Wochenende. Dadurch hat der Betroffene Gelegenheit, sich Gedanken über sein Verhalten zu machen. Auch wenn mehrere Kollegen das Gespräch mit ihm suchen, ist das günstig.
Anzeichen für Alkoholmissbrauch sind neben der „Fahne“ und Sprachstörungen auch psychische Auffälligkeiten. „Oftmals reagiert der Betroffene unangemessen auf Situationen. Auch können Stimmungsschwankungen auftreten, die nicht nachvollziehbar sind. So wirkt die Person auf der einen Seite sehr niedergeschlagen und plötzlich wie aus dem Nichts heraus fröhlich“, ergänzt der Ärztliche Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Suchtkranke haben gelegentlich sehr aktive Phasen, an die ein deutlicher Leistungsabfall anschließt. Manche sind überengagiert, können Arbeit nicht abgeben und sind mit vielen Aufgaben gleichzeitig beschäftigt.“ Aber auch Fehlstunden oder -tage ohne ärztlichen Nachweis, fehlerhafte Arbeitsergebnisse, Arbeitsrückstände und Terminversäumnisse sind Hinweise für Probleme, die mit übermäßigem Alkoholkonsum verbunden sein können. „Einige dieser Anzeichen treten jedoch auch im Rahmen anderer psychischer Störungen auf. Daher sollten Kollegen, die eine entsprechende Vermutung haben, den Verdacht reflektiert behandeln und den Kollegen behutsam auf mögliche Probleme ansprechen.“
Eine positive Änderung des Trinkverhaltens kann nur dann stattfinden, wenn der Alkohol trinkende Kollege selbst aktiv wird und sich über Hilfsangebote informiert und diese auch wahrnimmt. In vielen Unternehmen gibt es mittlerweile spezielle Ansprechpartner und entsprechende Hilfsangebote im Fall einer Abhängigkeit. Es wird geschätzt, dass 5 Prozent aller Arbeitnehmer zum Kreis der Suchtkranken gehören und etwa 10 weitere Prozent im Verdacht der Abhängigkeit stehen.
Die Pressemeldung der DGPPN ist mit Quellenangabe zur Veröffentlichung freigegeben. Bitte weisen Sie bei Verwendung im Printbereich auf das Informationsportal der DGPPN, www.psychiater-im-netz.de, hin. Bei Online-Veröffentlichung erbitten wir eine Verlinkung auf die Website.