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Angststörungen: Man muss lernen, die Angst anzunehmen

Wenn Menschen bei Ängsten nicht in der Lage sind, ihre Gedanken und Gefühle kontrollieren zu können, liegt eine behandlungsbedürftige Angststörung vor.

Angst ist ein zentrales und auch lebenswichtiges Gefühl von Menschen. Je nach kulturellem Hintergrund, persönlicher Lebensgeschichte und biologischen Faktoren haben und erleben Menschen unterschiedliche Ängste. Sie können sich vor dem Hintergrund des Zeitgeschehens und der persönlichen Lebensgeschichte auch verschieben. Viele Menschen beschäftigt beispielsweise die Angst vor wirtschaftlicher Unsicherheit, vor Gewalt, vor Terror aber auch vor Globalisierung oder Digitalisierung und der damit verbundenen Komplexität. Denn Ausgangspunkt von Ängsten ist oft der Eindruck, etwas nicht kontrollieren zu können. Hierbei handelt es sich aber in der Regel um Sorgen und weniger um Ängste im krankhaften Sinn. „Angststörungen haben nichts mit den Ängsten oder vielmehr der Besorgnis zu tun, die beispielsweise aufgrund der aktuellen politischen Lage oder Bedrohung durch Terror aufkommen – auch wenn sich zuletzt sorgenvolle Ereignisse scheinbar verdichtet haben und durchaus eine gewisse Belastung darstellen. Krankhafte Angst liegt dann vor, wenn Menschen bei Ängsten nicht in der Lage sind, ihre Gedanken und Gefühle kontrollieren zu können“, erklärt Prof. Arno Deister von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz in Berlin.

„Behandlungsbedürftige Ängste können sich dann einerseits sehr heftig in Form einer Panikattacke zeigen, die scheinbar aus dem Nichts auftritt und mit Atemnot und Beklemmung sowie Schwindel bis hin zur Todesangst einhergeht. Andererseits können krankhafte Ängste aber auch «im Stillen» verlaufen. Sie zeigen sich dann etwa in Form von zermürbenden Grübelgedanken, die nicht kontrolliert und abgestellt werden können sowie ausgeprägten, katastrophisierenden Sorgen bei alltäglichen Situationen. Auch eine permanente körperliche Anspannung bei gleichzeitiger Unfähigkeit, Entspannen zu können, treten neben anderen körperlichen Stresssymptomen auf.“ Bei Menschen mit einer Angststörung nehmen diese Symptome und damit einhergehende Ängste einen derart großen Bereich ein, dass der Alltag und die Lebensgestaltung dadurch stark beeinträchtigt ist.

Einschränkenden Ängsten mit therapeutischer Begleitung begegnen

Angststörungen sind schwerwiegende psychische Erkrankungen, die einen hohen Leidensdruck bei Betroffenen erzeugen. Es ist leicht nachzuvollziehen, wie beispielsweise die Panik vor der nächsten Angstattacke das Leben immer mehr blockiert. „Menschen mit einer Angststörung empfinden Ängste durch Ungewissheiten auf einer tiefergehenden, existentiellen Ebene, die sich rationalen Überlegungen und kontrolliertem Handeln entzieht. Wird dieses Angsterleben zur einer täglichen Erfahrung, erzeugt es viel Leid und erhebliche Einschränkungen“, betont Prof. Deister. „Doch wir können Mut machen, dieses Angsterleben hinter sich zu lassen oder zumindest kontrollieren zu können, denn gerade diese psychischen Erkrankungen sind heutzutage sehr gut behandelbar. Der erste Schritt ist, den Gedanken zuzulassen, dass Angst generell kein Feind ist. Betroffene können lernen, dass ihr Angsterleben in ihren Händen liegt.“

Für die Behandlung von Angststörungen hat sich die Verhaltenstherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie als besonders wirksam erwiesen. Bei ausgeprägten Erkrankungsbildern können auch angstlösende Medikamente wie Antidepressiva hilfreich sein. Betroffene kommen leider oft erst nach jahrelang bestehender Erkrankung in psychiatrische Behandlung. Je früher eine Angststörung aber behandelt wird, umso besser sind die Aussichten auf Besserung.

Bei Besorgnis helfen Entspannungsübungen und körperliche Aktivität

Durch die Medien ist man ständig mit Dingen konfrontiert, die außerhalb des persönlichen Erfahrungsbereichs liegen und die man nur schwer umfassend beurteilen kann, was zu einer allgemeinen Besorgnis beiträgt. Hierauf hat auch die Aufmachung und Aufbereitung der Themen durch die breite Medienlandschaft einen Einfluss. „Grundsätzlich ist es dann hilfreich, sich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen und auch ein Auge darauf zu haben, wann Ängste für einen dahinterliegenden Zweck überhöht oder gar instrumentalisiert werden. Zudem muss man akzeptieren, dass Sorgen in einem gewissen Maße als schützender Teil unseres Lebens angenommen werden müssen. Sie können zu einem vernünftigen Umgang mit alltäglichen Gefahren anstiften und Antrieb für positive Entwicklungen sein. In der Regel lösen sich Sorgen nach kurzer Zeit dann auch wieder auf“, meint der Experte. „Bemerken Menschen erste Stresssymptome an sich, ist es hilfreich, ausreichend Entspannung sowie positive auch körperliche Aktivitäten in den Alltag einzubauen - das ist angstlösend. Auch die Wirkung von gezielten Entspannungsübungen sollte nicht unterschätzt werden, denn dadurch können ganzheitliche wohltuende Prozesse angestoßen werden, die mehr Gelassenheit erlauben.“ Wirkungsvolle Verfahren sind beispielsweise autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder auch das Erlernen von Achtsamkeit.

Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer der Angststörungen zu erkranken, liegt nach internationalen Studien zwischen 14 und 29 Prozent. Damit sind Angststörungen die häufigste psychische Erkrankung, gefolgt von Depressionen.

Quelle: S3-Leitlinie: Behandlung von Angststörungen

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Veranstaltungshinweis
„Deutschland – ein Ort der Angst“

Am 05. Mai findet in Berlin ein Hauptstadtsymposium der DGPPN im Kooperation mit der Gesellschaft für Angstforschung (GFA) zum Thema “Deutschland – ein Ort der Angst?“ statt. Das gemeinsame Symposium geht der Frage nach, wie wir in Deutschland mit der Angst umgehen können – in der Gesellschaft, Politik und der medizinischen Versorgung. Mit dabei sind Deutschlands Top-Angstexperten Katharina Domschke und Borwin Bandelow sowie Musiker Nicholas Müller („Von Brücken“, Ex-Sänger von“ Jupiter Jones“). Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung auf www.dgppn.de ist erforderlich.