Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine tiefgreifende Störung der Persönlichkeit, die durch ein niedriges Selbstwertgefühl, eine ausgeprägte Kritikempfindlichkeit und in einem mangelhaften Einfühlungsvermögen in andere Menschen besteht. Diese Persönlichkeitsstörung kann das Leben der Betroffenen stark dominieren und erheblichen Stress sowie sehr negative Emotionen verursachen. Auch können sich psychische Folgeerkrankungen bis hin zur Suizidgefährdung entwickeln. „Narzissten sind selbstbezogene Menschen, die egozentrische und stark geltungsbedürftige Wesensmerkmale aufweisen. Diese innere Selbstbezogenheit hat den Zweck, ein inneres Gleichgewicht sowie auch Selbstwert und Wohlgefühl aufrechtzuerhalten. Solange solch ein narzisstischer Persönlichkeitsstil ein ausgewogener, gesunder Bestandteil einer harmonischen Persönlichkeit ist, ist dies nicht zwangsläufig krankhaft“, berichtet Dr. Christa Roth-Sackenheim vom Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) mit Sitz in Krefeld. „Tritt jedoch eine extreme, unflexible Ausprägung solcher Persönlichkeitszüge auf, kann dies das Verhalten von Betroffenen dominieren und es können erhebliche Konflikte mit dem Umfeld auftreten. Bleibt die Störung stabil bestehen und Betroffene leiden darunter, kann eine therapeutische Behandlung hilfreich sein.“ Allerdings liegt es in der Natur der Störung, dass sich Betroffene nur selten Hilfe holen. Viele Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung verschließen sich vehement vor Kritik an ihren Persönlichkeitszügen und haben keinerlei Krankheitseinsicht.
Brüchiges Selbstwertgefühl kann existentiell bedrohlich sein
Die krankhafte Ausprägung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch ein brüchiges Selbstwertgefühl aus, dass Betroffene durch ein Selbstbild von eigener Großartigkeit, Überlegenheit und auch Verachtung gegenüber anderen Menschen zu kompensieren versuchen. Viele streben nach Bewunderung und sind von Phantasien eingenommen, die sich um Macht und grenzenlosen Erfolg drehen. Gegenüber ihrem Umfeld präsentieren sie sich bevorzugt als großartig und neigen gleichzeitig dazu, zu konstruieren und Dinge überhöht darzustellen. Dabei überschätzen sie zuweilen aber ihre Fähigkeiten und gehen schwer kalkulierbare Risiken ein. „Für krankhafte Narzissten stellt ihr erhöhtes Selbstkonzept letztlich eine permanente Bedrohung dar. Früher oder später fordert das Umfeld eine realistische Sichtweise der Dinge ein, weswegen sie in Erklärungsnot geraten. In ihrem Bestreben, ihre Glaubwürdigkeit zu behalten, kommt es oft zu weiteren Lügen oder Konstruktionen und der permanente Druck wird noch größer“, erklärt die Psychiaterin und Psychotherapeutin. „Zweifel, Kritik sowie auch Zurückweisungen erleben sie als überaus kränkend und tiefgreifend. Dies kann sehr schmerzlich sein und sich bis hin zu einer existentiellen Bedrohung steigern.“ Depressive Episoden sowie auch Suizidgedanken treten bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen nicht selten auf. Die Suizidrate ist mit 14 Prozent hoch.
Folgeprobleme führen oft erst zu professioneller Behandlung
Mit ihrem ausgeprägten Bedürfnis nach Kontrolle und Dominanz, der Entwertung von anderen Menschen oder ihren Lebensmodellen ecken sie bei ihrem Umfeld an. Früher oder später fühlen sich Personen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung oft sehr alleine und entwickeln einen großen Leidensdruck unter ihren Persönlichkeitszügen. Allerdings suchen sie meist über lange Zeit keine Hilfsangebote auf. In vielen Fällen sind Folgeerkrankungen wie eine Depression oder eine Suchterkrankung oder auch eine akute Krise der Grund, warum therapeutische Hilfe in Anspruch genommen wird. Eine Aufklärung über das Störungsbild ist hilfreich, denn bei Betroffenen besteht meist selbst Unklarheit über die Motive ihres Verhaltens. Auch kann man Betroffenen helfen, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit an sich und die Umwelt besser zu erkennen. „Wichtig ist, die zwischenmenschlichen Interaktionsprobleme zu verbessern die in Form von Empathie-Mangel, Schüchternheit und Angst vor negativer Bewertung durch andere bestehen. Das schafft die Grundlage, um mit Kritik von anderen Menschen besser umgehen zu können und mit einer realistischen Selbsteinschätzung auftreten zu können“, führt Dr. Roth-Sackenheim aus. Auch eine bessere Selbstachtung, Selbstregulation und ein angemessener Umgang mit Frustrationserlebnissen ist für Betroffene hilfreich.
Eine in Deutschland durchgeführte Studie ermittelte, dass 9,4 Prozent der Bevölkerung von Persönlichkeitsstörungen betroffen sind. Narzisstische Persönlichkeitsstörungen treten bei bis zu 0,4 Prozent der Bevölkerung auf.
Quelle:
Mathias Berger, Psychische Erkrankungen – Klinik und Therapie, Urban & Fischer München, (4. Auflage 2012)
(äin-red) Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.psychiater-im-netz.org. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des Patientenportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.