Der Begriff Narzissmus wird zum einen mit einer Charaktereigenschaft in Verbindung gebracht, die durch selbstverliebte und geltungsbedürftige Wesensmerkmale gekennzeichnet ist. Zum anderen mit einer Persönlichkeitsstörung, die ein Störungsbild umfasst, das einen erheblichen Krankheitswert haben kann – auch weil Betroffene häufig begleitende psychische Störungen aufweisen. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine tiefgreifende Störung der Persönlichkeit. Im Vordergrund stehen ein Grandiositätsempfinden, Selbstüberschätzung, mangelnde Empathie sowie Egozentrismus. „Im Hintergrund leiden Narzissten unter einem niedrigen Selbstwertgefühl, einer ausgeprägten Kritikempfindlichkeit und Versagensängsten. Betroffene sind stets auf die Bestätigung von außen angewiesen, um das eigene Selbst und ihr Wohlgefühl zu stabilisieren“, berichtet Prof. Sabine Herpertz von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Kritik an ihrer Person, Zweifel oder auch Zurückweisung erleben sie als extrem kränkend und schmerzlich. Zudem stehen sie permanent unter Stress, weil ihr überhöhtes Selbstkonzept eine ständige Bedrohung von Versagen darstellt.“ Diese unterschiedlichen Belastungen können weitere psychische Störungen nach sich ziehen wie Depressionen, Angsterkrankungen sowie Abhängigkeitserkrankungen.
Suizidrisiko bei krankhaftem Narzissmus
Keine andere Persönlichkeitsstörung weist vergleichbar hohe Suizidraten auf wie die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Etwa jeder zehnte Mensch mit krankhaftem Narzissmus verübt Suizid. Das Versagen der Kompensationsmechanismen, chronische Überanstrengung sowie ein Gefühl innerer Leere können Betroffene erheblich belasten. „Auslöser für suizidale Krisen sind oft Kränkungen, Niederlagen, verbunden mit einem Zusammenbruch des überzogenen und zugleich labilen Selbstwertgefühls“, ergänzt die Psychiaterin und Psychotherapeutin.
Krise als Chance für Veränderung
Bei Persönlichkeitsstörungen nehmen die meisten Betroffenen ihre Symptome nicht als solche wahr. Sie erleben meist nur die Folgen als problematisch. Daher holen sich Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung nur selten Hilfe und dann oft erst spät. „In vielen Fällen wird therapeutische Hilfe erst wegen der bestehenden Begleiterkrankungen aufgesucht, die zu einem hohen Leidensdruck geführt haben“, ergänzt Prof. Herpertz. Auch echte Krisensituationen wie eine Trennung vom Partner, berufliche Misserfolge oder ein Arbeitsplatzverlust können Therapiegründe sein.
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ist nicht heilbar, kann aber so gemildert werden, dass Betroffene (und auch das Umfeld) nicht länger darunter leiden. Die Betroffenen müssen sich hierfür aber gezielt psychiatrisch-psychotherapeutisch Hilfe suchen. „Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung wird in erster Linie mit Psychotherapie behandelt. Bei begleitenden Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen können zusätzlich auch Medikamente eingesetzt werden“, berichtet Prof. Herpertz. Im Verlauf einer Therapie kann an einer Reduktion der narzisstischen Verhaltensweisen gearbeitet werden und eine realistische Selbstwahrnehmung gefördert werden. Ein zentraler Aspekt ist auch, die zwischenmenschlichen Interaktionsprobleme zu verbessern, die in Form von Angst vor negativer Bewertung durch andere und Empathie-Mangel bestehen.
Eine in Deutschland durchgeführte Studie ermittelte, dass 9,4 Prozent der Bevölkerung von Persönlichkeitsstörungen betroffen sind. Narzisstische Persönlichkeitsstörungen treten bei bis zu 0,4 Prozent der Bevölkerung auf.
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