Arbeitsleben: Belastungsfaktoren
Die Belastungen, denen Arbeitnehmer, aber auch Selbstständige, in der Arbeitswelt ausgesetzt sind, haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Frühere klassische Krankmacher wie Lärm, Giftstoffe oder körperliche Strapazen haben zum Teil wesentlich abgenommen, dafür sind neue Faktoren hinzugekommen, die im Zusammenhang mit negativem Stress stehen. In den vergangenen Jahren sind Leistungs-und Wettbewerbsdruck gewachsen (wirtschaftliche Globalisierung), die Anforderungen an Flexibilität, Mobilität und Arbeitsgestaltung sind gestiegen und die Tätigkeitsfelder haben sich in immer mehr in Subspezialitäten gegliedert. Daneben hat die Sicherheit von Arbeitsplätzen abgenommen. Die am besten nachgewiesenen Ursachen, die zu psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz führen können sind:
- Eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen am Arbeitsplatz und den Möglichkeiten, Ressourcen oder Befugnissen, um die Anforderungen bewältigen zu können. Diese Situation wird durch fehlenden sozialen Rückhalt am Arbeitsplatz verschärft. Zur Messung dieser Auswirkungen kann das Anforderungs-Kontroll-Modell herangezogen werden.
- Die sogenannte Gratifikationskrise: Nach dem Modell der Gratifikationskrise erkrankt eine Person als Folge starker Verausgabung (etwa in Form von Engagement, Wissen, Zeit, Identifikation, Leistung und Persönlichkeit) ohne angemessene Entschädigung (etwa in Form von ausbildungsadäquater Beschäftigung, Lohngerechtigkeit, Arbeitsplatzsicherheit, Weiterbildungs-, Karriere- und Einflussmöglichkeiten).
Vor dem Hintergrund dieser Modelle können verschiedene Entwicklungen beschreiben werden, die die Arbeitswelt in vielen Bereichen in den letzten Jahren bestimmt haben und die als Ursachen für psychische Belastungen in der Arbeitswelt diskutiert werden:
- Infolge von Prozessveränderungen und Einsparungen an Personal haben sich die Arbeitsaufgaben verdichtet, zugleich sind sie einer schnelleren Veränderung unterworfen.
- Arbeitsprozesse haben sich mitunter deutlich beschleunigt – insbesondere aufgrund neuer Kommunikationstechniken
- Die zunehmende Vernetzung von Arbeitsprozessen bei zuweilen unklaren Entscheidungsstrukturen in Unternehmen führt dazu, dass Arbeitsprozesse und -ergebnisse für den Einzelnen immer weniger zu überschauen und zu beeinflussen sind
- Die „Verachtung“ der eigenen Produkte und Dienstleistungen nimmt zu (insbesondere in Call-Centern oder Banken)
- Die Ausdehnung des Dienstleitungssektors steigert die psychischen Belastungen, zugleich nehmen körperliche Belastungen ab
- Gewachsene Anforderungen an räumliche und zeitliche Flexibilität (Pendeln bis hin zum Wohnortwechsel) gefährden die sozialen Netze, deren soziale Unterstützung einen schützenden, stress-protektiven Effekt hat
Wenn psychisch belastende Bedingungen und Situationen - wie z.B. ständiger Leistungsdruck, soziale Stresssituationen am Arbeitsplatz (z.B. Mobbing, Bossing), persönliche Konflikte, andauernde Überlastung, sowie auch Unterforderung, Arbeitsplatzunsicherheit - nicht kurzzeitig und vorübergehend bestehen, sondern langfristig und unveränderlich fortwähren, werden sie als Stressoren bezeichnet, die zu unspezifischen Aktivierungs- und Anpassungsreaktionen führen können. Sie können dazu beitragen, dass Menschen, die keine Widerstandsmöglichkeiten mehr entgegenzusetzen haben psychisch erkranken oder eine bereits vorhandene psychische Erkrankung sich verschlechtert.
Wenn eine anhaltende Belastung wiederholt und über längere Zeit zu Anpassungsreaktionen führt, kann sich der Körper unter Umständen nicht mehr in ausreichendem Maß erholen, was zu Störungen des Wohlbefindens und zu körperlichen Störungen bis hin zu Stresserkrankungen führen kann. Bei längerer oder intensiverer Einwirkung kann dies zu einem Risikozustand physischer und psychischer Erschöpfung (Burnout), zu einem Zusammenbruch der Anpassungsprozesse und damit zu Erkrankungen führen (z.B. Depression, Angststörungen etc.). Arbeitsmediziner sehen außerdem einen Zusammenhang zwischen Stress am Arbeitsplatz und Drogenmissbrauch und Suchterkrankungen, also einem exzessivem Konsum von Tabak, Alkohol, Medikamenten, aber auch illegalen Drogen wie Cannabis, Amphetaminen, Kokain und Heroin.