Das Betreuungsrecht
Bis zu Beginn der 1990ger Jahre wurden Erwachsene, die betreut werden mussten, weil sie nicht mehr vollständig entscheidungsfähig waren, entmündigt und unter Vormundschaft oder Pflegschaft gestellt. Die Selbstbestimmung des Einzelnen stand nicht im Fokus.
Das hat sich am 1. Januar 1992 mit dem „Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige“ - kurz Betreuungsgesetz genannt – und seinen nachfolgenden Aktualisierungen grundlegend geändert. Das Gesetz, das seine Ausgestaltung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) findet, steht unter dem Tenor, bei größtmöglicher Selbstbestimmung des Betroffenen dennoch genügend Schutz und Hilfe gewähren zu können. Erreicht werden soll dieses Ziel, in dem ein Betreuer bestellt wird, der in genau festgelegtem Umfang und Zeitraum für den Kranken entscheiden und handeln darf.
Wann ist ein Betreuer notwendig
Ein Betreuer kann nur auf Antrag des Betroffenen oder bei Erforderlichkeit bestellt werden, d.h. wenn der zu Betreuende seine rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten – gleich welcher Art – zum Teil oder vollständig nicht mehr alleine erledigen kann. Ist eine Person lediglich auf praktische Hilfe im Alltag angewiesen, beispielsweise beim Wohnungsputz, dem Einkauf oder dem Ausfüllen eines Formulars, sind immer zunächst die Angehörigen, Freunde oder soziale Einrichtungen gefragt.
§ 1896 Absatz 1 BGB regelt, in welchen Fällen ein Betreuer für eine hilfsbedürftige Person durch das zuständige Gericht bestellt werden kann:
- Psychische Erkrankungen: Hierzu gehören psychische Störungen ohne körperliche Ursache, in Folge von Krankheiten (z.B. Hirnhautentzündung), Unfällen (z.B. Hirnverletzungen) oder Suchterkrankungen sowie Persönlichkeitsstörungen mit entsprechendem Schweregrad
- Geistige Behinderung: In Folge angeborener oder frühkindlicher Hirnschädigungen mit entsprechen-der Beeinträchtigung der Intelligenz
- Seelische Behinderung: Bleibende psychische Beeinträchtigungen, die als Folge von psychischen Erkrankungen entstanden sind. Hierzu zählen u. a. auch die geistigen Auswirkungen des Altersabbaus (z.B. Demenzerkrankungen) sowie das als Folge einer langjährigen chronischen Schizophrenie eintretende Residualsyndrom.
- Körperliche Behinderung: Bei teilweiser oder vollständiger Unmöglichkeit der Eigenversorgung (z.B. andauernder Bewegungsunfähigkeit)
Um sicherzustellen, dass im Ernstfall eine Person des Vertrauens die rechtsgeschäftliche Vertretung über-nimmt, sollte man bereits in gesunden Zeiten eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung erstellen. In der Vorsorgevollmacht betraut man rechtsverbindlich eine Person mit der Übernahme bestimmter Aufgaben, ohne dass es einer gerichtlichen Bestellung bedarf. In der Betreuungsverfügung legt man gegenüber dem Gericht schriftlich einen Betreuer fest ohne inhaltliche Vollmachten zu vergeben. Das Gericht ist an diese Willensbekundung dann gebunden.
Welche Aufgaben übernimmt der Betreuer
Grundsätzlich gilt, dass der Betreuer nur die Aufgaben übertragen bekommt, die der Betroffene nicht mehr eigenständig regeln kann (§ 1896 Absatz 2 BGB). Er fungiert gerichtlich und außergerichtlich als dessen gesetzlicher Vertreter. Liegt keine Vorsorgevollmacht vor, entscheidet das Gericht über den Aufgabenumfang und - falls zu einem späteren Zeitpunkt notwendig - über eine Aufgabenerweiterung. Zu den Aufgaben können beispielsweise die Gesundheitsfürsorge, die Organisation ambulanter Hilfe, die Regelung finanzieller Angelegenheiten oder die Bestimmung der Wohnform sowie des Aufenthaltsortes gehören.
Die betreute Person bleibt trotzdem geschäftsfähig, d.h. ihre rechtliche Entscheidungsfähigkeit bleibt parallel zu der Betreuung erhalten. Nur wenn keine Einsichtsfähigkeit mehr gegeben ist, kann der Betroffene durch ein Gericht für geschäftsunfähig erklärt werden (§ 104 Nummer 2 BGB).
Wenn große Gefahr besteht, dass der Betroffene seine Gesundheit oder sein Vermögen mit seinen Entschei-dungen schädigt, kann das Gericht außerdem einen Einwilligungsvorbehalt für diese Bereiche anordnen. Dann darf die betreute Person nur noch mit Einwilligung des Betreuers entscheiden und handeln.
Dauer der Betreuung
Die Betreuung dauert nur solange wie notwendig. Ist die Betreuungsbedürftigkeit aus Sicht des Betreuers und des Betreuten nicht mehr gegeben, so können beide begründet die Aufhebung beantragen. Ansonsten legt das Gericht bereits bei der Bestellung des Betreuers einen Überprüfungstermin fest. Spätestens nach sieben Jahren muss über eine etwaige Verlängerung entschieden werden. Bei Tod des Betreuten erlischt die Vollmacht des Betreuers. Für die Regelung des Nachlasses sind ausschließlich die Erben verantwortlich.
Wer kann Betreuer werden
Der vom Gericht bestellte Betreuer sollte eine einzelne Person sein. Sie kann entweder zum persönlichen Umfeld des Betroffenen gehören, zu einem der etwa 800 eingetragenen Betreuungsvereine in Deutschland oder ein Berufsbetreuer sein. Der Betroffene kann hierzu Wünsche äußern, die das Gericht in seine Entscheidung einzubeziehen hat, falls nicht ohnehin eine Betreuungsverfügung vorliegt. Dem Wunsch widersprechen kann das Gericht nur, wenn der Fürsorgegedanke durch den Vorgeschlagenen nicht gewährleistet werden würde. Geeignete Betreuer bzw. Betreuungsvereine kann man beispielsweise in seiner Gemeinde (Betreuungsstelle/Betreuungsbehörde) oder den caritativen Verbänden erfragen.
Wie funktioniert die Betreuung
Das Betreuungsrecht sieht vor, dass der Betreuer das persönliche Wohlergehen des Betroffenen unabhängig von allen ihm übertragenen Aufgaben im Blick zu behalten hat (§ 1901 BGB). So muss der Betreuer seinen Schützling in regelmäßigen Abständen aufsuchen, um sich ein Bild von dessen Gesundheitszustand, seinen Wünschen und Vorstellungen machen zu können.
Innerhalb seines Betreuungsgebietes hat er alle erforderliche Unterstützung zu organisieren und die verbleibenden Möglichkeiten des betreuten Menschen zu fördern, was aber nicht heißt, dass er beispielsweise selbst pflegen muss. Bei allen Maßnahmen hat er den Willen des Betreuten zu respektieren, sofern kein zwingender Grund dagegen spricht.
Professionelle Betreuer müssen zu Beginn ihrer Tätigkeit einen Betreuungsplan erstellen und dem zuständigen Betreuungsgericht mindestens einmal pro Jahr Bericht erstatten.
Entscheidungen bei medizinischen Maßnahmen
Der Grundsatz der Selbstbestimmung in medizinischen Angelegenheiten bleibt im Betreuungsfall erhalten. Auch wenn die Gesundheitsvorsorge in sein Aufgabengebiet fällt, kann der Betreuer beispielsweise nicht über eine bestimmte Therapie entscheiden, sofern der Betroffene hierzu selbst in der Lage ist.
Nur bei Einsichtsunfähigkeit obliegt die Entscheidung nach ärztlicher Aufklärung dem Betreuer. Vorgaben einer etwaigen Patientenverfügung hat er dabei zu respektieren.
Zwangsmedikation ist nach derzeitiger Rechtslage in Deutschland nach Betreuungsgesetz nicht möglich.
Zwangsmassnahmen wie z.B. Fixierung sind nach betreuungsgerichtlicher Genehmigung möglich. Eine Präzisierung der Gesetzeslage wird derzeit vorbereitet. (s. auch unter Zwangsbehandlung)
Was muss das Betreuungsgericht genehmigen
Weitreichende Entscheidungen muss der Betreuer vom zuständigen Betreuungsgericht genehmigen lassen, auch wenn sie grundsätzlich in seinen Aufgabenbereich fallen:
- Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen (Psychiatrie, Pflegeheim usw.), falls erhebliche Selbst-gefährdung oder Suizidgefahr besteht bzw. eine dringende medizinische Behandlung ohne stationä-ren Aufenthalt nicht möglich wäre
- Kündigung einer Wohnung oder Abschluss längerfristiger Mietverträge
- Kauf/ Verkauf von Grundstücken
- Hypothekenabschlüsse oder andere Kreditaufnahmen (einschließlich Dispositionskredit)
- Erbausschlagungen, Erbstreitigkeiten
- Lebensversicherungsverträge
- Arbeitsverträge
Finanzielle Rahmenbedingungen
Sofern das Gericht keinen berufsmäßigen Betreuer bestellt hat, erfolgt die Betreuung ehrenamtlich unter Ersatz der entstandenen Kosten.